Europa macht wegen der Flüchtlinge die Grenzen dicht
Soldaten, Zäune und neue Gesetze sollen den Migrantenstrom nach Europa stoppen. Österreich erwägt einen Grenzeinsatz des Bundesheeres.
Als Reaktion auf die steigenden Flüchtlingszahlen zieht Europa neue Mauern auf. Nach Ungarn, das mit der Errichtung eines Zauns an der Grenze zu Serbien begonnen hat, greift nun auch Bulgarien zu diesem Mittel. An der Grenze zur Türkei soll ein 130 Kilometer langer Zaun entstehen – zusätzlich zu dem 30-Kilometer-Zaun, den Bulgarien bereits vor zwei Jahren zur Eindämmung der Wanderungsbewegung errichten ließ.
Auf Zäune und Spürhunde setzt auch das Vereinigte Königreich. Der Ansturm von Asylbewerbern, die durch den Ärmelkanal auf die Britische Insel streben, soll durch die Entsendung von Polizisten nach Frankreich eingedämmt werden.
Ungarn errichtet nicht nur einen Grenzzaun, es greift auch zur juristischen Abschreckung. Der illegale Grenzübertritt soll per Strafgesetzbuch geahndet werden.
In Österreich erwägt die Regierung einen Grenzeinsatz des Bundesheeres. Verteidigungsminister Gerald Klug machte allerdings klar, dass sich dadurch die Zahl der Asyl- suchenden in Österreich nicht verringern werde. Die an der Grenze von den Soldaten aufgegriffenen Asylbewerber würden der Polizei übergeben und in Flüchtlingsunterkünfte gebracht, sagte er. SPÖ und ÖVP einigten sich am Dienstag auf den ehemaligen Raiffeisen-Chef Christian Konrad als Flüchtlingsbeauftragten.
WIEN. Die Eckdaten sind rasch erzählt. Christian Konrad wurde 1943 in Laa an der Thaya geboren und besuchte dort jenes Gymnasium, in das etliche Jahre später die kleine Johanna Leitner (später Mikl-Leitner) eintreten sollte. Er studierte Jus und trat dann in die Raiffeisenbank Niederösterreich-Wien ein, wo er rasch Karriere machte. 1994 wurde der strebsame Banker als Generalanwalt des Raiffeisenverbands einer der mächtigsten Männer des Landes. Etliche Aufsichtsratsvorsitze und Obmannschaften rundeten die Machtposition ab. 2012 legte Christian Konrad die meisten seiner Funktionen in jüngere Hände. Was befähigt diesen Mann, als frisch ernannter Flüchtlingskoordinator jenen Job zu erledigen, an dem Bund, Länder und Gemeinden seit Monaten spektakulär scheitern?
Hätte ein Personalberater einen solchen Flüchtlingskoordinator gesucht, er wäre wohl ganz von selbst auf den Namen Christian Konrad gestoßen. Der ehemalige Raiffeisen-Boss darf als Idealbesetzung gelten. Kaum jemand ist besser vernetzt als er, und das nicht nur, weil das Raiffeisen-Netzwerk bis in den kleinsten Weiler reicht. Konrad, ein bekennender ÖVPler, verfügt auch über beste Beziehungen zur roten Reichshälfte und erfreut sich höchster Wertschätzung des Wiener Bürgermeisters (und umgekehrt). Es ist kein Zufall, dass sowohl das Bundesland Niederösterreich als auch das Bundesland Wien den damaligen Raiffeisen-Boss zu dessen 65. Geburtstag mit dem jeweils höchsten Landesorden schmückten.
In die Politik zog es den mächtigen Banker nie. Es reichte ihm, die Fäden im Hintergrund zu ziehen. Das von Konrad penibel ausgebaute System Raiffeisen besteht nicht nur aus dem gleichnamigen Bankenund Wirtschaftskonzern. Sondern auch aus Seilschaften, die bis in die Spitzenpolitik reichen.
Man denke an Bauernbund-Präsident Jakob Auer, der gleichzeitig Aufsichtsratschef der Raiffeisen Landesbank Oberösterreich ist. Oder an ÖVP-Finanzsprecher Andreas Zakostelsky, der vordem Vorstandsvorsitzender der zu Raiffeisen gehörenden Valida Holding war. Oder an ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker, die in führender Position bei Raiffeisen evolution project development tätig ist. Man denke an Ferdinand Maier, der als damaliger Raiffeisen-Generalsekre- tär rechte Hand Konrads und gleichzeitig ÖVP-Mandatar war.
Nie war Christian Konrad so nahe am Gipfel der Macht wie zwischen 2008 und 2011, als sein enger Freund Josef Pröll die ÖVP führte und zeitweise in allen Umfragen vor Werner Faymann lag. Sein Ziel sei es, Pröll zum Kanzler zu machen, erklärte Konrad damals unumwunden. Pröll scheiterte an der Aufgabe und wurde von seinem Mentor mit einem gut dotierten Vorstandsjob im Raiffeisen-Reich abgefunden.
Konrads Machtanspruch schadete es keineswegs, dass zum Raiffeisen-Kosmos ein gut sortierter Medienkonzern gehört, um den sich der Bankenboss stets persönlich kümmerte. Noch heute ist Christian Konrad „Kurier“-Aufsichtsratschef.
Das beste Netzwerk ist nutzlos, wenn im Zentrum nicht eine Persönlichkeit steht, die es zu bedienen weiß. Konrad wusste und weiß sein Netzwerk zu bedienen. Seine barock-hemdärmelige Art kommt bei Bauern ebenso gut an wie bei Wirtschaftsmagnaten. Als Landesjägermeister bediente er auch diesen Teil der ländlichen Gesellschaft.
All das würde Christian Konrad noch nicht zum Flüchtlingskoordinator prädestinieren. Was ihn dazu befähigt, ist der Umstand, dass bei vielen seiner Aktivitäten weder Eigen- noch Raiffeisennutz im Zentrum steht. Sondern gesellschaftliche Verantwortung. So bemühte er sich als Obmann des Vereins „Unser Stephansdom“(letztlich vergeblich) um eine zeitgemäße Präsentation dieses zentralen Wahrzeichen. So versucht er als Präsident der Konzerthausgesellschaft, diese Kulturinstitution durch wirtschaftlich schwierige Mehr als 500 Soldaten des Bundesheeres werden zur Bewältigung der Asylkrise abgestellt. Das hat am Dienstag die Bundesregierung beschlossen. Die Zahl der Soldaten ist nach oben offen. „So viele benötigt werden, so viele werden wir zur Verfügung stellen“, sagte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Drei Aufgaben werden den Soldaten gestellt. Erstens werden Pioniere (zunächst drei Kompanien) beim Aufbau von Wohncontainern helfen. Zweitens wird das Bundesheer Fahrzeuge und Fahrer für den Transport von Asylbewerbern zur Verfügung stellen. Bis zu 300 Asylsuchende sollen täglich transportiert werden. Und drittens sollen Kaser- nenküchen die Verpflegung von Asylbewerbern in der Umgebung übernehmen. Auch ein Grenzeinsatz des Bundesheeres zur Unterbindung von illegalen Grenzübertritten wird von der Regierung nicht mehr ausgeschlossen. Von mehreren Landeshauptleuten werden Grenzkontrollen vehement gefordert. Minister Klug sagte am Dienstag, er schließe einen Grenzeinsatz nicht aus. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP sagte, man behalte sich einen Assistenzeinsatz des Heeres an der Grenze „als letztes Mittel“vor, auch wenn es Probleme mit der EU-Reisefreiheit gäbe. Das Durchgriffsrecht des Bundes gegenüber Ländern und Gemein- den zur Schaffung zusätzlicher Asylquartiere wird vom Nationalrat in einer Sondersitzung am 1. September debattiert. Der Sitzungstermin kam gegen den Willen der FPÖ zustande. In Kraft treten wird das Durchgriffsrecht am 1. Oktober. Das Lager Traiskirchen ist gesundheitsschädigend, urteilt die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen nach einer Begutachtung des Erstaufnahmezentrums. Die Zustände dort seien menschenunwürdig, die Versorgung und die medizinische Betreuung absolut unzureichend. Einen Aufnahmestopp für das Spendenlager vor dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen hat die Caritas angekündigt. „Unser Spendenlager ist aktuell mehr als voll“, heißt es. Allein in der vergangenen Woche seien Hunderte Pkw gefüllt mit Sachspenden angekommen. Die Caritas bittet, vorerst nichts mehr nach Traiskirchen zu liefern. Die Kinder von Asylbewerbern in Österreich haben das Recht und die Pflicht, eine Schule zu besuchen. Darauf macht das Unterrichtsministerium in einem Rundschreiben aufmerksam. Wegen ihrer meist fehlenden Deutschkenntnisse seien die Kinder als außerordentliche Schüler einzustufen, heißt es darin. Viele der Kinder seien traumatisiert und bedürften daher besonderer Zuwendung. Über die notwendigen zusätzlichen Mittel dafür werde mit dem Finanzminister intensiv verhandelt, teilt das Unterrichtsministerium mit.