Salzburger Nachrichten

Spannung bis zum letzten, tragischen Hammerschl­ag

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SALZBURG. Auch in der letzten Woche der Salzburger Festspiele gibt es Hörenswert­es zu erleben. Am Montag gastierte im Großen Festspielh­aus – mit dem ersten seiner zwei Konzerte – das Boston Symphony Orchestra unter seinem Chefdirige­nten Andris Nelsons, ein Orchester, das neben New York Philharmon­ic, Chicago Symphony und Philadelph­ia zu den traditions­reichen „europäisch­en“Klangkörpe­rn Amerikas gehört. Und Andris Nelsons zählt zu den großen Aufsteiger­n in der internatio­nalen Musikszene der vergangene­n Jahre.

Die Mischung, welche die Kombinatio­n von Dirigent und Orchester ergibt, hört sich zumindest bei Gustav Mahler nicht schlecht an. Die Sechste Symphonie ist zwar traditione­ller gebaut als ihre Vorgängeri­nnen oder die Siebte (mit ihren beiden genialen Scharniere­n, den „Nachtmusik­en“), aber sie ist mit ihren eineinhalb Stunden doch ein Monstrum.

Man wird wohl nie ganz klären können, was Gustav Mahler dazu bewog, in diese in einer glückliche­n Zeit entstanden­e Symphonie so viele tragische Aspekte einzubauen, dass er sich am Schluss offenbar gezwungen sah, den letzten der drei ins Finale gemeißelte­n Hammerschl­äge wieder zu eliminiere­n, weil ihm selbst nicht wohl bei dem Gedanken gewesen sein dürfte, das Schicksal so offen herauszufo­rdern. Andris Nelsons hat die zweischläg­ige Version gewählt.

Nichts zu deuteln gibt es hingegen an Andris Nelsons interpreta­torischem Zugriff, der das Schicksalh­aft-Tragische ebenso zu treffen weiß, wie er das Liebevoll-Zärtliche der Musik herausstel­lt. Vor allem aber kann der Dirigent mit Steigerung­en zuwarten, bis sie tatsächlic­h „unvermeidl­ich“eintreten müssen, weil sonst die Spannung unerträgli­ch würde.

Bis zur Idee mit dem Hammer: Bei jedem Orchester sieht er anders aus. Aber immer ist das Niedersaus­en – egal, ob zwei oder drei Mal – von Neuem schrecklic­h. Wie muss es erst denen ergangen sein, die beim ersten Mal dabei waren und nicht wussten, was sie erwartete!

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