„Faust und Mephisto vereint“
Thomas Thieme verrät im SN-Gespräch, wie er zu seiner Filmfigur Uli Hoeneß steht.
Seit einem Jahr verbüßt Uli Hoeneß eine Haftstrafe. Nun kommen zwei Filme über Aufstieg und Fall des schillernden Fußballmagnaten von Bayern München ins Fernsehen: das Dokudrama „Uli Hoeneß – Der Patriarch“. Im September folgt in Sat 1 eine Komödie mit Uwe Ochsenknecht als Hoeneß. Als „Patriarch“spielt Thomas Thieme den Manager und Präsidenten des FC Bayern, der im 2014 wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde. SN: Herr Thieme, Sie haben schon Helmut Kohl verkörpert, jetzt Uli Hoeneß. Was war denn leichter? Thieme: Beides war nicht einfach. Aber Hoeneß zu spielen hat mehr Spaß gemacht. Was daran liegt, dass ich mich in so einen hochgekommenen Fußballer, der Manager geworden ist, besser hineinversetzen kann als in einen hochgekommenen Provinzpolitiker, der es zum Bundeskanzler gebracht hat. Das hat mit den unterschiedlichen Berufsbildern zu tun. SN: Was fasziniert Sie an der Figur Uli Hoeneß? Dass er sich immer getraut hat, die Kontrolle zu verlieren und zu sagen, was Sache ist. Das ist in einer Zeit, in der Kontrollverlust als größte Sünde gilt, schon bemerkenswert. Mir imponiert das Impulsive, das ihn ausmacht, das Polterige. Dazu kommt, dass er ein unglaubliches dramatisches Potenzial hat, er ist Faust und Mephisto in einer Person. Der aalglatte Manager, der er ja sicher auch war, interessiert mich eigentlich am wenigsten an ihm. SN: Haben Sie denn für den Straftäter Uli Hoeneß Verständnis? Soweit das seine eigene Einschätzung der persönlichen Unschuld betrifft, habe ich Verständnis. Ich habe noch keinen Straftäter getroffen, der gesagt hätte: Ich bin eine große Sau, brummt mir noch mehr auf. Aber: Es gibt wirklich Widerlicheres, als den Staat um Geld zu betrügen. SN: Warum haben Sie auf das für Hoeneß typische Schwäbeln verzichtet? Weil es der Regisseur nicht verlangt hat. Zum Glück, muss ich sagen, weil ich wie kein Zweiter dialektunbegabt bin. Mein Thüringer Heimatdialekt ist der einzige, den ich draufhabe und auch nicht loswerde (lacht). Aber wenn ich Schwäbisch, Bayerisch oder Berlinerisch nachäffe, dann geht das fürchterlich in die Hose. Da lachen Sie sich tot, und das wollte man nicht riskieren. SN: Dafür sind Sie vom Äußeren ein ähnlicher Typ wie Hoeneß. Stimmt, und ich glaube, das war auch einer der wichtigsten Gründe, warum man mich für die Rolle angefragt hat. SN: Würden Sie sein Leben als gelungen oder misslungen bezeichnen? Unbedingt gelungen. Bis auf den Gefängnisaufenthalt natürlich, den hat er sich selbst eingebrockt, was mir absolut unverständlich ist. Wie kann ein Mann mit über 60, der auch ohne Zocken Geld im Überfluss hat, so etwas machen? Ich ver- stehe das überhaupt nicht. Warum sitzt der nicht auf seiner Terrasse mit einer Flasche Rotwein und liest ein schönes Buch? Was muss sich denn so einer in den Knast setzen? Das ist eine gänzlich überflüssige Episode in diesem sonst nur so vor Erfolg strotzenden Leben. SN: Kann sich einer wie Hoeneß überhaupt zurückziehen? Das ist für einen wie ihn ohne Frage schwierig, aber er sollte es wagen. Er sollte sich eine Gesamtausgabe von Goethe besorgen, wenn er noch keine hat, und sich so richtig schön langweilen. Goethe zu lesen ist ja zunächst sehr langweilig, aber dann, wenn man plötzlich versteht, was der Typ schreibt, dann wird es zum größten Abenteuer, das man überhaupt erleben kann.
„Es gibt Widerlicheres, als den Staat um Geld zu betrügen.“
SN: Kennen Sie Uli Hoeneß? Leider nein, aber ich hoffe, dass er den Film als Einladung betrachtet (lacht). Vielleicht sagt er: „Mensch, der kleine Ossi hat das ordentlich gemacht, mit dem gehe ich ein Weißbier trinken.“Ich hätte nichts gegen einen Anruf einzuwenden, wenn er wieder aus dem Gefängnis raus ist.
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