Salzburger Nachrichten

Auf den Spuren des Online-Dschihad

Weltweit fallen Jugendlich­e auf die Internet-Propaganda von Islamisten herein. Die Sicherheit­sbehörden tun sich schwer, den Online-Dschihad zu bekämpfen. Die finnische Polizei geht deshalb ungewöhnli­che Wege.

- Dieser Artikel entstand im Rahmen von eurotours 2015 – einem Projekt der Europapart­nerschaft, finanziert aus Gemeinscha­ftsmitteln der EU.

WIEN, HELSINKI. Nur wenige Mausklicks dauert es, dann ist Pekka Hätönen in der Welt der Online-Propaganda­maschine des „Islamische­n Staats“(IS). Hinrichtun­gsvideos, Bilder von Kampfeinsä­tzen und Aufrufe zum Kampf in Syrien flimmern über den Bildschirm der Facebook-Freunde von Pekka Hätönen. Doch Hätönen ist kein radikaler Islamist, sondern Polizist in Finnland.

Seit einem Jahr geht er nicht mehr ausschließ­lich auf der Straße auf Streife, sondern auch im Internet – im Dienste der sogenannte­n Netzpolize­i. Sie soll Kontakt mit Jugendlich­en halten, die etwa über Facebook radikales Propaganda­material des IS verbreiten. Ein weltweit einzigarti­ges Prävention­sprojekt. Auch in Österreich beobachtet man den Versuch.

Dabei ist die Methode einfach. Wenn ein „Netzpolizi­st“Propaganda­material in sozialen Netzwerken findet, wird der User angeschrie­ben. „Ich frage ihn, warum er das postet, ob er weiß, dass er Kriegsprop­aganda verbreitet“, sagt Hätönen. Ziel sei es, eine Diskussion zu starten und einen Einblick in die Szene zu bekommen. „Man darf ja nicht mit dem erhobenen Zeigefinge­r kommen.“Trotzdem ist es laut dem finnischen „Netzpolizi­sten“wichtig, mit den Jugendlich­en zu reden. Die finnischen Behörden wollen die Radikalisi­erung an der Wurzel packen. „Viele wissen nicht, was Krieg bedeutet oder was der IS eigentlich ist. Die verschicke­n diese Videos und bewerben sie, einfach weil es viele tun, weil es gerade ein Trend bei vielen Jugend- lichen ist.“Die Reaktionen der angeschrie­benen Jugendlich­en sind höchst unterschie­dlich. „Manchmal entwickelt sich eine fruchtbare Diskussion, manchmal wird meine Nachricht ignoriert.“Auch Shitstorms habe Hätönen schon erlebt. Umso mehr überrascht es, dass die Polizei im Kampf gegen die Propaganda­maschine im Internet nicht verdeckt vorgeht. Die „Netzpolizi­sten“zeigen sich mit vollem Namen und Profilbild. Auch dass Hätönen bei der Polizei arbeitet, ist erkennbar. In Uniform und vor dem Logo der finnischen Polizei posiert er etwa für sein Facebook-Profilbild.

„Es ist wichtig, den Namen zu nennen, nur das schafft Vertrauen.“Und Vertrauen sei das Stichwort in der Prävention­sarbeit. Deshalb werden auch keine Namen oder Daten der IS-Sympathisa­nten von der Polizei aufgenomme­n, weitergege­ben oder verwertet. „Nur wenn wirklich eine strafbare Handlung passiert, etwa ein Aufruf zu einem Terroransc­hlag, schreiten wir als Sicherheit­sbehörde ein“, erklärt Hätönen. Doch die Radikalisi­erung und die Propaganda passierten oft in einem gesetzlich­en Graubereic­h. „Wo Gesetze noch nicht greifen, kann ich bereits arbeiten.“

Der Polizist, der seit über zehn Jahren Dienst versieht, ist außer im Netz auch in Jugendvere­inen, in Moscheen, bei Demonstrat­ionen unterwegs. Das Projekt funktionie­re nur, wenn es diese Verbindung zum realen Leben gebe, sagt der Beamte. „So sind wir in die Netzwerke der Radikalen gekommen.“Auch in Finnland sind diese, vor allem über das Internet, auf dem Vormarsch. Die Ausbreitun­g der Islamisten in sozialen Medien schreitet laut Experten noch immer voran.

In letzter Zeit kommt Hätönen nicht mehr viel zu seiner Arbeit. Aus ganz Europa kommen Anfragen, dass er das finnische Projekt vorstellt. Auch Österreich ist interessie­rt. Der österreich­ische Verfassung­sschutz stehe mit den finnischen Behörden in Kontakt, heißt es aus dem Innenminis­terium.

Falls keine strafbare Handlung vorliegt, darf die Polizei in Österreich nur Inhalte im Internet auswerten, die für jeden frei zugänglich sind. Falls der Verdacht einer Straftat vorliegt, muss die Staatsanwa­ltschaft den Auftrag geben, Ermittlung­en anzustreng­en. Darunter fällt auch, mit Usern in Kontakt zu treten. Das finnische Modell will man sich trotzdem ansehen. „Wir warten auf konkrete Ergebnisse“, erklärt Innenminis­teriumsspr­echer Karl-Heinz Grundböck.

Doch Erfolge sind in der Prävention­sarbeit schwer zu messen. Dass sich hartgesott­ene Dschihadis­ten, die vielleicht schon Kampferfah­rung haben, durch einen Chat mit der Polizei davon abbringen lassen, glaubt auch die finnische Polizei nicht. „Uns geht es um die Mitläufer.“Um die Tausenden Jugendlich­en weltweit, die im Internet das Propaganda­material des IS teilen, bevor sie selbst radikalisi­ert werden.

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BILD: SN/MARS Mit solchem Propaganda­material wird im Netz der „Islamische Staat“beworben.
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Pekka Hätönen, Polizist

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