Beim Risiko der Banken gibt es zu wenig Transparenz
Banken bewerten ihr Risiko mit Modellen, die von den Aufsehern nicht verstanden werden. Und die Regeln der Aufseher sind zu komplex.
Dieser Tage fand sich in der „Financial Times“eine interessante Notiz. Dort war zu lesen, dass die Europäische Zentralbank (EZB), die seit Jänner dieses Jahres 123 europäische Großbanken beaufsichtigt, für die Überprüfung der internen Risikomodelle dieser Banken mindestens vier (!) Jahre brauchen wird. Dies gibt zu denken, sollten doch all diese Modelle schon von nationalen Aufsichtsbehörden geprüft und zugelassen worden sein. Und von mangelnden Kapazitäten kann man bei der EZB auch nicht sprechen, beschäftigt sie doch allein für ihre Aufgabe als europäische Bankenaufsicht mittlerweile mehr als 1000 Personen. Noch nachdenklicher stimmt die Begründung: Man brauche deswegen so viel Zeit, weil mittlerweile seitens der 123 Banken mit 6000 (!) unterschiedlichen Modellen, differenziert nach Regionen, Geschäftsfällen usw., gearbeitet wird.
Mit diesen Risikomodellen errechnen Banken, wie viel Eigenkapital für ein bestimmtes Geschäft benötigt wird: Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapital ist erforderlich. Die Modelle bestimmen damit ganz erheblich den so wichtigen Eigenkapitalkoeffizienten (Verhältnis der risikogewichteten Aktiva zu Eigenkapital), die entscheidende Kennzahl für die Finanzstärke einer Bank. Doch wie aussagekräftig ist diese Kennzahl? Und wird durch die vielen Modelle gleiches Risiko gleich bewertet?
Beides ist zu bezweifeln. Die Modelle sind hoch komplex und in ihren Wirkungen schwer zu durchschauen. Es ist daher zu hinterfragen, ob die Aufsichtsbehörden sie in all ihren Verästelungen auch immer verstehen. Ferner ist stark zu bezweifeln, dass die Genehmigungspraxis der nationalen Aufsichtsbehörden zu einer EU-einheitlichen Risikobeurteilung führt. Das, was in einem Land erlaubt ist, ist im anderen Land verboten. Und es führt letztlich zu einer Revision der aufsichtsrechtlichen Bestimmungen nach unten. Jeder Aufseher kennt das Lied der Banken: Im Land X ist diese Auslegung der Bestimmung Y erlaubt, warum daher nicht auch bei uns? Oder: Das Risiko X wird im Land Y viel geringer eingeschätzt, warum nicht auch bei uns? Strengere Bestimmungen schaden den heimischen Banken usw.
Bankenaufseher, Analysten und Ratingagenturen klammern sich bei der Beurteilung des Bankenrisikos noch immer sehr stark an die Kennzahl „Eigenkapitalkoeffizient“. Die EZB tut gut daran, die internen Risikomodelle zu überprüfen und zu einer Harmonisierung der Berechnung dieser Kennzahl zu kommen. Der geschätzte Arbeitsaufwand zeigt nur, wie weit weg wir nach wie vor von einer einheitlichen Darstellung des Bankenrisikos sind. Und der Gesetzgeber muss sich fragen, ob komplexe Lösungen, die zwar jedes Wenn und Aber berücksichtigen, gleichzeitig aber zu Intransparenz und Ungleichheit führen, der richtige Weg für die Beaufsichtigung von Banken sind.
Der frühere US-Notenbankchef Paul Volcker sagte einmal, er wünsche sich ein Aufsichtsrecht von 40 Seiten, klar und einfach. In der EU haben allein die Aufsichtsregeln 870 Druckseiten. Klar und einfach schaut anders aus.