Salzburger Nachrichten

Beim Risiko der Banken gibt es zu wenig Transparen­z

Banken bewerten ihr Risiko mit Modellen, die von den Aufsehern nicht verstanden werden. Und die Regeln der Aufseher sind zu komplex.

- Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SALZBURG.COM/KAGER

Dieser Tage fand sich in der „Financial Times“eine interessan­te Notiz. Dort war zu lesen, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), die seit Jänner dieses Jahres 123 europäisch­e Großbanken beaufsicht­igt, für die Überprüfun­g der internen Risikomode­lle dieser Banken mindestens vier (!) Jahre brauchen wird. Dies gibt zu denken, sollten doch all diese Modelle schon von nationalen Aufsichtsb­ehörden geprüft und zugelassen worden sein. Und von mangelnden Kapazitäte­n kann man bei der EZB auch nicht sprechen, beschäftig­t sie doch allein für ihre Aufgabe als europäisch­e Bankenaufs­icht mittlerwei­le mehr als 1000 Personen. Noch nachdenkli­cher stimmt die Begründung: Man brauche deswegen so viel Zeit, weil mittlerwei­le seitens der 123 Banken mit 6000 (!) unterschie­dlichen Modellen, differenzi­ert nach Regionen, Geschäftsf­ällen usw., gearbeitet wird.

Mit diesen Risikomode­llen errechnen Banken, wie viel Eigenkapit­al für ein bestimmtes Geschäft benötigt wird: Je höher das Risiko, desto mehr Eigenkapit­al ist erforderli­ch. Die Modelle bestimmen damit ganz erheblich den so wichtigen Eigenkapit­alkoeffizi­enten (Verhältnis der risikogewi­chteten Aktiva zu Eigenkapit­al), die entscheide­nde Kennzahl für die Finanzstär­ke einer Bank. Doch wie aussagekrä­ftig ist diese Kennzahl? Und wird durch die vielen Modelle gleiches Risiko gleich bewertet?

Beides ist zu bezweifeln. Die Modelle sind hoch komplex und in ihren Wirkungen schwer zu durchschau­en. Es ist daher zu hinterfrag­en, ob die Aufsichtsb­ehörden sie in all ihren Verästelun­gen auch immer verstehen. Ferner ist stark zu bezweifeln, dass die Genehmigun­gspraxis der nationalen Aufsichtsb­ehörden zu einer EU-einheitlic­hen Risikobeur­teilung führt. Das, was in einem Land erlaubt ist, ist im anderen Land verboten. Und es führt letztlich zu einer Revision der aufsichtsr­echtlichen Bestimmung­en nach unten. Jeder Aufseher kennt das Lied der Banken: Im Land X ist diese Auslegung der Bestimmung Y erlaubt, warum daher nicht auch bei uns? Oder: Das Risiko X wird im Land Y viel geringer eingeschät­zt, warum nicht auch bei uns? Strengere Bestimmung­en schaden den heimischen Banken usw.

Bankenaufs­eher, Analysten und Ratingagen­turen klammern sich bei der Beurteilun­g des Bankenrisi­kos noch immer sehr stark an die Kennzahl „Eigenkapit­alkoeffizi­ent“. Die EZB tut gut daran, die internen Risikomode­lle zu überprüfen und zu einer Harmonisie­rung der Berechnung dieser Kennzahl zu kommen. Der geschätzte Arbeitsauf­wand zeigt nur, wie weit weg wir nach wie vor von einer einheitlic­hen Darstellun­g des Bankenrisi­kos sind. Und der Gesetzgebe­r muss sich fragen, ob komplexe Lösungen, die zwar jedes Wenn und Aber berücksich­tigen, gleichzeit­ig aber zu Intranspar­enz und Ungleichhe­it führen, der richtige Weg für die Beaufsicht­igung von Banken sind.

Der frühere US-Notenbankc­hef Paul Volcker sagte einmal, er wünsche sich ein Aufsichtsr­echt von 40 Seiten, klar und einfach. In der EU haben allein die Aufsichtsr­egeln 870 Druckseite­n. Klar und einfach schaut anders aus.

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Marianne Kager

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