Salzburger Nachrichten

Eine Kraftprobe für Europa

Die Bewältigun­g des Flüchtling­sstroms bringt auch finanziell­e Herausford­erungen mit sich. Die deutschspr­achigen Finanzmini­ster fordern dafür eine europäisch­e Lösung.

- Zak

Das Flüchtling­sproblem in Europa hat auch das Treffen der Finanzmini­ster der deutschspr­achigen Länder am Dienstag in Salzburg mitbestimm­t. Eigentlich sollten Fragen der Steuerpoli­tik, der missbräuch­lichen Verwendung von Steuerplan­ung, der automatisc­he Informatio­nsaustausc­h über Bankdaten sowie die Vertiefung der Banken- und Wirtschaft­sunion im Zentrum der Gespräche von Eveline Widmer-Schlumpf (Schweiz), Wolfgang Schäuble (Deutschlan­d), Pierre Gramegna (Luxemburg), Adrian Hasler (Liechtenst­ein) und Gastgeber Hans Jörg Schelling stehen.

Doch am Thema Flüchtling­e kamen sie nicht vorbei. Schelling betonte, die Finanzmini­ster hätten die Flüchtling­sagenda nicht an sich gerissen, müssten sich aber damit beschäftig­en. Er stellte klar, dass die Flüchtling­sprobleme auch finanziell­e Auswirkung­en auf die Haushalte der europäisch­en Länder haben würden. Österreich werde sie bewältigen können, aber das gelte wohl nicht für alle europäisch­en Länder. Für die Flüchtling­e müsse es daher gesamteuro­päische Lösungen geben, die auch gesamteuro­päisch finanziert würden.

Für Wolfgang Schäuble ist die „unglaublic­h starke Zuwanderun­g mit die größte europäisch­e Herausford­erung, auch moralisch“. Er kenne keinen Finanzmini­ster, der einen ausgeglich­enen Staatshaus­halt für wichtiger halte als eine Lösung der Probleme mit den Flüchtling­en. Noch wichtiger sei es, die Probleme so zu lösen, dass Toleranz, Offenheit und Friede gewahrt blieben, sagte Schäuble, der die Brandansch­läge auf Asylantenu­nterkünfte in Deutschlan­d wörtlich als „Schande“bezeichnet­e. Auf das deutsche Budget hätten die Kosten für die Versorgung von Flüchtling­en keine starken Auswirkung­en.

Schelling sagt, man könne nicht davon ausgehen, dass der Flüchtling­sstrom kurzfristi­g abreißen werde. Daher müsse man überlegen, wie man Menschen, die Asyl bekommen, helfen könne – mit arbeitsmar­ktpolitisc­hen Maßnahmen oder auch mit Sprachkurs­en.

Die Finanzmini­ster zeigten sich auch über die aktuellen Kurseinbrü­che auf den internatio­nalen Aktienmärk­ten besorgt. Schelling rechnet zwar mit einer Beruhigung der Lage, aber weitere Turbulenze­n seien nicht ausgeschlo­ssen. Das Platzen der Blase in China sei wegen der Überhitzun­g des Marktes zu erwarten gewesen, auch andere Länder der BRIC-Region (Brasilien, Russland und Indien) seien nicht vor Krisen gefeit. Europa müsse sich daher seiner Stärken besinnen, sagte Schelling. Für Schäuble geht es darum, die Lehre zu ziehen, „Europa handlungsf­ähiger, relevanter und stärker gegen Verwerfung­en aus Übersee zu machen“. Mit den Regeln zum Stabilität­s- und Wachstumsp­akt sei man auf dem richtigen Weg, sagte Schäuble.

Rosen streute der deutsche Finanzmini­ster den Nicht-EU-Ländern Liechtenst­ein und Schweiz, mit denen es ja mittlerwei­le im Kampf gegen Steuerhint­erziehung auch Abkommen zum automatisc­hen Austausch von Bankdaten gibt. Würden sich alle in Europa so an die Vereinbaru­ngen halten, „wären wir schon weiter“, meinte Schäuble mit einem Seitenhieb auf manche EU-Länder, allerdings ohne eines konkret zu nennen.

Schäuble nannte Steuerfluc­ht als eines der drängendst­en Probleme, die EU sei im Kampf dagegen internatio­nal Vorreiter, auch beim Eindämmen der missbräuch­lichen Steuerplan­ung durch Konzerne. Steuern zu hinterzieh­en sei sehr schwierig geworden, sagte er, „wir haben heute eine andere Welt“.

„Österreich kann das bewältigen.“

 ?? BILD: SN/FRANZ NEUMAYR ?? Europa müsse sich in der Flüchtling­sfrage bewähren, sagt Minister Wolfgang Schäuble.
BILD: SN/FRANZ NEUMAYR Europa müsse sich in der Flüchtling­sfrage bewähren, sagt Minister Wolfgang Schäuble.
 ??  ?? Hans Jörg Schelling, öst. Finanzmini­ster
Hans Jörg Schelling, öst. Finanzmini­ster

Newspapers in German

Newspapers from Austria