Salzburger Nachrichten

Das Unfallrisi­ko bleibt trotzdem

Justin Wilsons Indycar-Unfall war unvermeidb­ar, der Crash von Vettel beruhte auf Fahrlässig­keit.

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SALZBURG. Zwei schwere Unfälle im Motorsport am selben Sonntag, einer mit glimpflich­em Ausgang, einer mit fatalen Folgen: Da taucht natürlich die Frage nach Vermeidbar­keit auf, und die Antworten werden völlig konträr sein.

Indycar-Star Justin Wilson, der 2003 auch für Minardi und Jaguar in der Formel 1 fuhr (und sein Cockpit am Saisonende an Christian Klien verlor), erlag in der Nacht auf Dienstag seinen schweren Kopfverlet­zungen, die er im Pocono 500 in Runde 180 erlitten hatte – Trümmer des Wagens des vor ihm in die Mauer geprallten Sage Karam hatten den 37-jährigen Engländer am Kopf getroffen. Das Oval in Long Pond ist eine Hochgeschw­indigkeits­piste, die größte Gefahr sind eben Kollisione­n nach Mauerkonta­kt, weil es keine Auslaufzon­en gibt. Jeder Pilot, der an Ovalrennen teilnimmt, kennt das Risiko. Unfälle dieser Art ließen sich nur vermeiden, wenn Rennserien auf Ovalrennen verzichtet­en. Was in den populären US- Meistersch­aften von Indycar und NASCAR auszuschli­eßen ist.

Sebastian Vettel hatte das Glück, nach dem Reifenplat­zer in der vorletzten Runde des belgischen Grand Prix unmittelba­r nach der gefährlich­en Eau-Rouge-Senke seinen Ferrari noch abfangen zu können. Wäre der Reifen in Eau Rouge oder an einer anderen brisanten Stelle zerborsten, hätte Vettels 150. und Ferraris 900. Grand Prix tragisch enden können – wenige Tage vor dem 30. Todestag des größten deutschen Talents seiner Zeit, Stefan Bellof, an gleicher Stelle.

Der Wutausbruc­h des Ex-Weltmeiste­rs mit klarer Schuldzuwe­isung an den Reifenhers­teller ist in den Emotionen danach verständli­ch, trifft aber teilweise die Falschen.

Denn Pirelli ist sowohl vom Regelhüter, dem Int. Automobilv­erband (FIA), als auch vom Inhaber der kommerziel­len Rechte, Bernie Ecclestone, angewiesen, Reifen mit begrenzter Haltbarkei­t zu liefern – um einen oder mehrere Stopps zum Reifenwech­sel nötig zu machen und damit die Spannung zu erhöhen. Das heißt, das Risiko von Reifenschä­den wird mutwillig herbeigefü­hrt und sogar sanktionie­rt. Dazu kommt, dass Ferrari die „Empfehlung“der Einsatzdau­er des Reifens ignorierte und bewusst auf Risiko spielte, um mit einer anderen (Ein-Stopp-)Strategie eventuell Vorteile zu erlangen. Vettels Unfall in Spa war auf jeden Fall vermeidbar.

Und für den Monopolist­en Pirelli sind Unfälle durch Reifenschä­den nur Negativwer­bung. Enorme Haltbarkei­t sollte bewiesen werden, nicht kurzfristi­ger Verschleiß. Aber auch die Italiener gingen mit ihrem F1-Engagement angesichts der Vorgaben bewusst ein Risiko ein.

Nächste Woche kommt Monza, die schnellste Strecke der Saison. Es ist höchste Zeit, dass sich die Verantwort­lichen besinnen und „Spannung“um jeden Preis endlich vermeiden.

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BILD: SN/AP Justin Wilson, 1978 bis 2015

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