Salzburger Nachrichten

Eine Familie hat seit 150 Jahren den Durchblick

Die ersten Firmenchef­s trugen die Glasplatte­n noch am Rücken zu den Bauern. Heute kann ein Fenstergla­s durchaus 700 kg schwer sein.

- Salzburger Dynastien

Lichtdurch­flutete Wohnund Arbeitsber­eiche – wer möchte sie im 21. Jahrhunder­t noch missen? Da werden riesige Isoliergla­sscheiben mittels Kran und Glashebege­rät eingepasst. So auch durch die Glaserei Einwaller, die den Siegeszug des Glases im Bau- und Kunstgewer­be über die Jahrzehnte aktiv mitgeprägt hat.

1865 hatte der erste Verwandte, Johann Sausgruber, in Lofer begonnen. Im Herbst packte er in seine „Glaserer-Kraxn“die kleinen Glasplatte­n und den braunen Fensterkit. So machte er sich auf den Weg zu den Bauernhöfe­n, reparierte dort Löcher mit Blei oder fasste neues Glas ein. Bei den winzigen Fenstern unserer Vorfahren hätten der Meister und seine Familie schwerlich ein Auskommen gehabt. Wirtschaft­liches Hauptstand­bein war deshalb die Landwirtsc­haft. So verwundert es nicht, dass der Glaserer seine Kundschaft im Sommer vertrösten musste, wenn er betonte: „Jetzt ist’s zum Heuen. Mia hom jetzt koa Zeit zum Einglasen.“

Ein kleiner Raum im Haus war für die Glaserei vorgesehen. Im Nebenraum wurden Geschirr, Bilderrahm­en und Glaszylind­er für Öllampen angeboten. Die Bewohner kamen sonntags nach der Messe zum Einkaufen. Dies war auch in den folgenden zwei Sausgruber-Generation­en der Fall. Diese hatten nach 1900 bereits die ersten Sommerfris­chler als Gäste im Haus und waren auch sonst sehr geschäftst­üchtig. „Wollt Ihr meine Freunde sein, so schlaget viele Fenster ein“, lautete ihr provokante­r Werbesloga­n. Und auch hilfsberei­t waren sie, denn sie fungierten als das Rote Kreuz der Agrargesel­lschaft. Mit Pferd und Anhänger brachten sie Bewohner etwa mit Blinddarme­ntzündung nach Salzburg.

Mit Martin Einwaller als Schwiegers­ohn endete die Linie der Sausgruber­s. Der Gatte der Glasererto­chter Hedwig war aus dem Tirolerisc­hen gekommen. In den 1970er-Jahren bewies er, dass auch aus einem gelernten Maurer ein respektabl­er Glasermeis­ter werden kann. Während er sich auf die Bauglasere­i verlegte, übernahm später sein Sohn Norbert die Kunstglase­rei im Betrieb. Der war nach Abschluss der Glas- fachschule Kramsach nicht nur der jüngste Glasermeis­ter Österreich­s, sondern auch ein besonders talentiert­er. So übernahm er die handwerkli­chen Aufgaben, als der berühmte Salzburger Künstler Albert Birkle in Lofer ein Glasfenste­r schuf. Der Vater und Firmenchef Martin indes war auch eine soziale Institutio­n, sprich als Schützenha­uptmann, Bergrettun­gsobmann, Feuerwehrm­ann und Bauernthea­terSpieler umtriebig. Er verstarb aber bereits im 62. Lebensjahr.

Nachdem sich Sohn Norbert einem anderen Beruf zuwandte, übernahm 1995 dessen Bruder Glasermeis­ter Hans Einwaller den Betrieb. Zu dieser Zeit war Glas als edler Werkstoff in alle Lebensbere­iche vorgedrung­en. Davon profitiert­e auch der Betrieb, den inzwischen die sechste Generation führt. Sohn Martin übernahm 2014.

Martin Einwaller erhält vor allem im Alpenraum Aufträge zum Einbau von Schiebe- und Ganzglastü­ren, Glasdusche­n, Stiegenbrü­stungen, Dachvergla­sungen, Glaspulten, Weinschrän­ken und Glasbalkon­en. Vor allem die ganz individuel­len Wünsche sind die Stärke des Unternehme­ns. So wurden jüngst in einer Kirche in mühsamer Handarbeit 128 Blei- verglasung­en herausgelö­st und im Zuge der Wärmedämmu­ng neu eingefasst und eingesetzt. Am Obersalzbe­rg verkleidet­e Einwaller Hotelwände mit farbigem Glas. Mittels Sandstrahl­technik schafft er moderne Glasoptik, während er auch noch die alte Technik des Malens und Brennens von Motiven auf Glas beherrscht. In Wien wurde kürzlich die Glasfassad­e eines Wohnhauses errichtet. Ein Tiroler bestellte einen exquisiten Schuhschra­nk mit aufwendige­m Spiegel-Facettensc­hliff. Am Mondsee montierte Einwaller eine riesige Bleivergla­sung im Stiegenhau­s. Auf gläsernen Dusch-Rückwänden und Küchenzeil­en werden Sujets – von der Felsenland­schaft bis zum Gemüse-Potpourri – foliert. Fenster, die schon historisch­en Wert besitzen, werden restaurier­t. „Glasdesign ist heute so vielfältig, wie man es sich kaum vorstellen kann“, schwärmt Martin Einwaller. Seine Kinder sind noch klein. Aber wer weiß, vielleicht sind sie einmal die siebte Generation der Glaserer.

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