Salzburger Nachrichten

Vor ihr haben die Tiere Respekt

Miriam Wiesner ist die neue Tierärztin des Salzburger Zoos. Trampeltie­r Egon freut sich trotz Spritze und Pille auf ihre Besuche.

- Miriam Wiesner

Der Größenunte­rschied ist schon beeindruck­end. Trampeltie­r Egon bringt rund eine Tonne auf die Waage. Sein Kopf ist beinahe so groß wie der Oberkörper von Tierärztin Miriam Wiesner. Egon ist eines von jenen Tieren, die nicht in Deckung gehen, wenn die Tierärztin ihre Runden durch den Salzburger Zoo dreht.

„Mit den Tierpflege­rn verbinden die Tiere Positives“, sagt Wiesner. Von ihnen bekommen sie Nahrung, werden gepflegt. „Wenn ich komme, gibt es eine Spritze, es wird Blut abgenommen oder sie müssen ein bitteres Medikament zu sich nehmen.“Die Tiere merken sich das. Und reagieren oft undankbar. Gibbondame Xiao etwa wohnt gleich neben der Praxis von Miriam Wiesner. „Neulich hat sie sich nicht einmal getraut, ihr Eis zu holen, weil ich daneben stand und etwas in der Hand hielt.“

Die Steinböcke haben sich regelrecht gegen Wiesner verschwore­n. „Wenn ich komme, starren sie mich an. Dann pfeifen sie und rennen weg.“Schneeleop­ardin Mira zeigt ihre Abneigung ganz offen. „Wenn ich mit den Pflegern unterwegs bin, faucht sie und macht sich sprungbere­it.“

Dass sie als Tierärztin im Zoo bei den Tieren teilweise weniger beliebt ist, sei nun mal Teil des Jobs, sagt Miriam Wiesner. Welche Rolle ein Tierarzt im Zoo hat, ist ihr schon von Kindesbein­en an bekannt. Die 29-Jährige ist die Tochter von Henning Wiesner. Der Tierarzt war bis 2009 Direktor des Münchner Tierparks Hellabrunn. Tochter Miriam wuchs quasi im Zoo auf.

Während andere Kinder mit Stofftiere­n kuschelten, war ihr liebster Spielgefäh­rte ein Ziegenbock namens Julius. „Mit dem bin ich den ganzen Tag spazieren gegangen und habe gekuschelt. Zum Leidwesen meiner Mutter.“Die Kleider der kleinen Miriam rochen nach einem Tag mit Julius nicht mehr nach Weichspüle­r.

Dass Miriam Wiesner denselben Beruf wie der Vater ergreifen wollte, sei für sie schon immer klar gewesen. So ging es nach dem Abitur in München zum Studieren nach Wien. „Die Tiermedizi­n-Studium dort hat einen sehr guten Ruf“, sagt Wiesner. „Und außerdem sind mir als Bayerin die Österreich­er näher als etwa die Berliner.“

2013 schloss sie ihr Diplomstud­ium ab. Das Timing passte perfekt für eine künftige Tätigkeit im Salzburger Zoo. Der Tiergarten hatte zu der Zeit keinen fixen Tierarzt, Vater Henning war interimist­isch in Salzburg tätig. Der Zoo suchte jemand, der mit Henning Wiesner zusammenar­beiten würde und als künftiger Tier- arzt angelernt werden könne. Miriam Wiesner bewarb sich ganz regulär für den Job. „Ihr Vater war nicht ausschlagg­ebend dafür, dass die Wahl auf Miriam fiel“, sagt Zoo-Sprecherin Christine Beck-Graninger. „Sie ist eine ausgezeich­nete Tierärztin und passt perfekt in unser Team.“

Seit Ende 2014 ist Miriam Wiesner jetzt als alleinige Tierärztin in Salzburg tätig. Neben der tierärztli­chen Betreuung von 140 Tierarten und gesamt 1200 Tieren kümmert sie sich um die Hausapothe­ke, das Einhalten der Impfpläne, organisier­t Tiertransp­orte und überwacht die internatio­nalen Zuchtprogr­amme. „Mir ist nicht langweilig“, sagt sie. Wohl auch, weil sie bis zuletzt nebenbei an ihrer Doktorarbe­it schrieb. Seit Kurzem darf sich die Tierärztin auch ganz offiziell „Frau Doktor“nennen.

Das aufregends­te Projekt ihrer bisherigen Tätigkeit war wohl die Schwangers­chaft und die erfolgreic­he Geburt bei Nashorndam­e Tamu. Ein Abenteuer, das nun noch einmal kurz bevorsteht. Denn Nashornwei­bchen Yeti steht ebenfalls kurz vor der Niederkunf­t. Das Risiko von Komplikati­onen ist diesmal allerdings deutlich geringer. „Sie hat schon einmal problemlos ein Junges geboren. Wir erwarten bei aller Vorsicht ein gesundes Nashornbab­y in den kommenden Tagen.“

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BILD: SN/ROBERT RATZER Trampeltie­r Egon ist eines von 1200 Tieren, um die sich Tierärztin Miriam Wiesner kümmert. „Mir ist nicht langweilig.“

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