Für Lauda war Rindt ein „Irrer“
Monza bedeutet auch für Niki Lauda viele Erinnerungen. Im SN-Gespräch erzählt er, wie er seinen ersten WM-Titel und den Tod Jochen Rindts 1970 erlebt hat.
Mit Statistiken hat er es gar nicht. Erinnerungen sind oft verdrängt, doch wenn Niki Lauda einmal auf ein Detail seiner langen Karriere angesprochen wird, dann geht der Speicher wieder auf. Frage an den Aufsichtsratschef von Mercedes vor dem Italien-GP in Monza: „Niki, was passierte hier vor 40 Jahren?“Lauda achselzuckend: „Keine Ahnung. Ein Unfall?“„Nein, dein erster WM-Titel.“Lauda darauf: „Ach ja. Weiß schon, ich hab den Rega (Ferrari-Teamkollegen Clay Regazzoni) gewinnen lassen, denn ich wollte nichts mehr riskieren. Platz drei genügte ja zum WM-Gewinn, und genau den fuhr ich auch ein.“Monza 1975 abgehakt . . .
Dass sich heute, Samstag, Jochen Rindts Todestag zum 45. Mal jährt, hat Lauda auch verdrängt. Doch plötzlich ist die Erinnerung an seine eigene Anfangszeit wieder voll da. Über dieses Wochenende erzählt er: „Ich fuhr in Zolder in der Formel 3. Am Samstag kam plötzlich ein Typ vorbei, den ich nicht kannte, und sagte: ‚Der Rindt ist tot.‘ Ich glaubte es nicht, hielt ihn für einen, der sich wichtigmachen wollte. Es ließ mir aber keine Ruhe, ich versuchte bei der Fahrt ins Hotel einen Radiosender zu finden, der Nachrichten brachte. Dann musste ich es glauben.“Einen Tag später kam das Rennen, der 6. Coupe de L’Avenir (den James Hunt gewinnen sollte). Lauda fällt ein: „In der ersten Runde crashte die einzige Dame im Feld, Hannelore Werner. Eine Ambulanz fuhr zur Unfallstelle, es wurden aber keine Flaggen geschwenkt. Darauf krachten wir in Runde zwei zu sechst ineinander und in den Rettungswagen. Es war der letzte einiger schwerer Unfälle in der Formel 3, worauf ich beschloss: In dieser Serie mit lauter Verrückten riskiere ich nichts mehr.“Lauda stieg für den Rest der Saison 1970 zu den Sportwagen (Porsche 908) um.
Gegen Jochen Rindt fuhr Lauda nie Rennen, aber er hatte Erlebnisse mit ihm. „1968, ich war 19, fuhr ich meine ersten Bergrennen im Mini, war ein unbekannter Anfänger. Im Herbst machte Jochen in Wien-Aspern eine Präsentation für seine kommende Rindt-Show. Ich stand hinter dem Zaun unter Journalisten, als er auf mich zukam und mich ansprach. Dabei kannten wir einander bis dahin gar nicht. Aber er wusste schon Bescheid. Das hat mich schwer beeindruckt.“
Als Rindt 1970 in Brands Hatch den britischen GP gewann, fuhr Lauda dort das Formel-3-Rennen. „Ich schaute beim F1-Training in einer Kurve zu, es regnete. Da kam einer im Regen mit unheimlichem Speed völlig quer daher. Ich dachte mir nur: ‚Wer ist der Irre?‘ Es war Rindt. Ich sehe die Szene vor mir, als wäre sie gestern gewesen.“
In Monza arbeiten an diesem Wochenende noch einige Journalisten, die an Rindts Schicksalstag auch hier waren. Der Schweizer Roger Benoit erzählt: „Jackie Stewart stellte mich Jochen vor und sagte: ‚Das ist ein Schweizer, der auch ständig raucht wie du.‘ Dann rauchten wir an der Boxenmauer eine Zigarette zusammen.“Der deutsche Fotograf Rainer Schlegelmilch hielt das bildlich fest. Benoits Landsmann Jacques Deschenaux, der als enger Freund von Jo Siffert (verunglückte ein Jahr später tödlich) in Monza war, erinnert sich: „Sonntag gewann Regazzoni für Ferrari, und das Autodrom stand Kopf. An Rindt dachte niemand mehr.“Der Italiener Giorgio Piola verlor wegen Rindt sogar seinen Job: „Meine damalige Gefährtin war eng mit Nina Rindt befreundet. Wir waren in der Box, als Bernie (Ecclestone) mit Jochens Helm zurückkam und den Kopf schüttelte. Ich war so geschockt, dass ich das Autodrom verließ und vom Rennen am Sonntag nicht mehr berichtete. Mein Magazin hat mich darauf gefeuert. Pino Allievi (seit Langem „Gazzetta dello Sport“, Anm.) bekam meinen Job.“
„Jochen hat mich schwer beeindruckt.“