Unser Mann in Mazedonien
Mehr als 4000 Flüchtlinge warten an der Grenze zu Mazedonien aktuell auf ihre Flucht über die Balkanroute. Einem Land am Rande Europas, in dem der Gollinger Polizist Peter Kitzberger seit zwei Jahren Dienst versieht.
Es gibt dieses Bild, das Peter Kitzberger nicht mehr aus dem Kopf bekommt. Dutzende Menschen treten in die Pedale ihrer Fahrräder. Syrer, Afrikaner, verschleierte Frauen. Irgendwo in Mazedonien. Irgendwo mitten auf einer Autobahn.
„Ich habe mir nur gedacht, was ist da jetzt los? Vorher habe ich so etwas noch nie gesehen“, erinnert sich der 49-Jährige, der als österreichischer Verbindungsbeamter seit September 2013 in Mazedonien Dienst versieht. Kitzberger ist so etwas wie die Schnittstelle zwischen dem heimischen Innenministerium und den Sicherheitsbehörden in Mazedonien. Eine Art Polizeidiplomat für sicherheits-, grenz- und fremdenpolizeiliche Fragen in einem Land am Rande Europas, von dem aus sich aktuell Tausende auf den Weg nach Nordwesten machen.
Rund 500 Flüchtlinge seien damals über die Autobahn geradelt, erzählt der Salzburger weiter. In einem Bericht an das Innenministerium wird er hinter die Zahl 500 später drei Rufzeichen setzen, weil solch ein Flüchtlingsandrang zu dieser Zeit ungewöhnlich war. Das ist sechs Monate her.
Mittlerweile sind es andere Flüchtlingszahlen, die der Salzburger nach Wien übermittelt. 1500, 2000, 2500, 3000 Flüchtlinge strö- men täglich durch Mazedonien weiter in Richtung Serbien, über Ungarn nach Österreich und schließlich in das Sehnsuchtsland Deutschland.
„Es macht einen betroffenen. Vor allem wenn man sieht, wie Frauen mit Kindern auf der Flucht einfach zur Seite gestoßen werden“, erzählt Kitzberger.
Ein anderes Bild, das sich bei ihm eingebrannt hat. Damals, als Mazedonien wegen der Massen an Flüchtlingen plötzlich die Grenze zu Griechenland dichtmachte.
In die Krisenherde der Welt zog es Kitzberger dabei seit jeher. „Meinen ersten Einsatz hatte ich für die UN im Kosovo“, erinnert sich der Salzburger. Dort lernte er im Jahr 2001 auch die Arbeit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) kennen. Ein Jahr später wurde er für sie im alpinen Bereich im Kaukasus an der Grenze zu Tschetschenien tätig. Zurück im Kosovo wurde der Polizist Kitzberger zum Ausbildner für andere Polizisten. Es folgten Stationen in Mazedonien, im Kaukasus, in Tiflis, in Tadschikistan, an der Grenze zu Afghanistan. Ob er jemals Angst gehabt hätte? „Nein“, lautet die rasche Antwort. Etwas länger dauert jene bei der Frage, ob seine Familie Angst habe. „Am Anfang ja.“
Die Familie von Kitzberger, seine Frau („mein Rückhalt“), seine 23jährige Tochter und der 19-jährige Sohn, sie alle leben in Golling. Das Leben zwischen Ferne und Heimat sei dennoch möglich. „Indem man regelmäßig nach Hause kommt. Bei mir ist es alle fünf Wochen so weit“, erzählt der 49-Jährige. Seine Kinder seien es von klein auf gewohnt gewesen, dass „der Papa eben nicht ums Eck arbeitet“. Kitzberger: „Uns war es immer wichtig, ihnen zu vermitteln, dass es ganz normal ist, dass ich einen Job habe, der weiter weg ist. Und sie deswegen jetzt nicht die armen Kinder sind.“
Die aktuelle Lage in Mazedonien macht Kitzberger „sehr betroffen“. „Ich weiß, dass ich die Geschehnisse nur berichten kann, aber andere darauf reagieren müssen.“Pause. „Die Tragweite, wie das weitergeht, ist noch niemandem bewusst.“Fest steht, dass der Strom an Flüchtlingen nicht abreißen wird. Dass politische Lösungen auf EU-Ebene weiter auf sich warten lassen. „Die Flüchtlinge werden weiter Richtung Europa strömen. Auch im Winter. Was sich ändern wird, sind die Strapazen, die diese Menschen auf den Weg in die Sicherheit gewillt sind, auf sich nehmen.“
„Flüchtlinge werden weiter Richtung Europa strömen.“