Die Fußballer entfachten ungeahnte Euphorie
Bitte noch mehr solcher Glanzlichter, Herr Koller! Wie Österreichs Teamchef seine Mannschaft so stark gemacht hat.
Im Prinzip ist es einfach. Man nehme elf hungrige, junge Spieler, die ihr Fußballerbrot in den besten Ligen der Welt verdienen, forme sie zu einer Mannschaft und ernte dann. Wenn möglich, ohne Druck von außen. Österreichs Teamchef Marcel Koller ist das gelungen. Er darf nun mit seiner Mannschaft als Belohnung zur Europameisterschaft 2016 nach Frankreich fahren. Als Gruppensieger in der Qualifikation nach einem beeindruckenden 4:1-Erfolg gegen die Schweden.
Wenn es nur so leicht wäre. Der Schweizer ÖFBTeamchef hat etwas erreicht, was viele Experten ihm nicht zugetraut haben. Noch vor zwei Jahren war Koller angezählt, die Kritiker hätten bei der damals anstehenden Vertragsverlängerung eine österreichische Lösung bevorzugt. Der Erfolgscoach, der sich im Herbst 2013 viel Zeit genommen hatte, hatte das Potenzial in der Mannschaft erkannt und ein Team mit zwei großen Grundsätzen geformt: „Freunde müsst ihr sein und viele Kilometer fressen.“Ruhig, zumeist gelassen, nur innerlich brodelnd und manchmal fast demütig, ist Koller beharrlich seinen Weg gegangen.
Dem Fußballprofessor aus Zürich, der am 11. November 55 Jahre alt wird, ist hoch anzurechnen, dass er Tugenden aus der Mannschaft herausgekitzelt hat, die lange Zeit bei anderen Teams bewundert, aber bei heimischen Kickern oft vermisst worden waren: Teamgeist, bedingungsloser Einsatz bis zur letzten Minute, der Glaube an sich selbst und Spielfreude. Jetzt läuft jeder für den anderen. Kein Tadel unter den Spielern bei Fehlern. Viel Lob schon bei kleinen Glanzlichtern. Das macht stolz. Und die vergangenen Tage sind irgendwie der Beweis dafür, dass eine ganze Nation auf diese „Fußballneuzeit Marke Koller“gewartet hat. Gerade in Zeiten, in denen Kriegsflüchtlinge täglich die Schlagzeilen bestimmen und uns dramatische Bilder fassungslos machen, hat das rot-weiß-rote Team für wohltuende Erleichterung auf den Titelseiten gesorgt.
Die Euphorie scheint jetzt grenzenlos zu sein. Bis zu 1,6 Millionen Zuschauer haben im ORF vor den TV-Geräten am Dienstag den Sieg in Stockholm mitverfolgt. Tausende Fans reisen dem Team in den hohen Norden nach, feiern ihre neue Helden und gehen erst, wenn im Stadion die Lichter ausgehen. Alle Heimspiele waren bereits nach wenigen Tagen ausverkauft. Am Mittwoch meinte Marcel Koller: „Jetzt wollen wir Fußballgeschichte schreiben.“Herr Koller, bitte mehr von diesen Momenten.