Salzburger Nachrichten

Die „guten“gegen die „besseren“ Österreich­er

In der Flüchtling­sfrage geht die Schere zwischen totaler Hilfsberei­tschaft und totaler Ablehnung in der Gesellscha­ft immer weiter auf. Das zeigt sich vor allem in den sozialen Netzwerken.

-

WIEN. Österreich ist ein gespaltene­s Land. Während die vielen dumpfen Hasspostin­gs der letzten Monate eine zu breite Front der Ablehnung von Asylbewerb­ern suggeriert hatten, verzerrt die Flut an positiven Postings über Hilfe für Flüchtling­e der letzten Tage wiederum das Stimmungsb­ild im Land zu sehr ins Positive. Spürbar ist jedenfalls eines: Die Schere zwischen selbstlose­r Hilfsberei­tschaft und totaler Ablehnung geht in der Gesellscha­ft und im Netz immer weiter auf. Und die Sprache wird härter, was besonders in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook sichtbar wird, wo sich gerade unter dem Deckmantel der Anonymität Abgründe auftun.

Stammtisch­flüche „echter Österreich­er“bekommen dort durch die tausendfac­he Verbreitun­g ebenso eine neue Dimension wie hetzerisch­e Texte. Hasspostin­gs und Hetze im Netz haben schon einige Österreich­er vor Gericht gebracht oder ihren Job gekostet. Etwa jenen Lehrling aus Wels, der zum Foto eines lachenden syrischen Kindes unter einem kühlenden Wasserstra­hl der Feuerwehr im Sommer gemeint hatte: „Flammenwer­fer währe (sic!) da die bessere Lösung.“Und nach Auffinden von 71 erstickten Flüchtling­en in einem Lkw im Burgenland zählten Meldungen wie „Selber schuld, wären sie nicht geflüchtet!!! kein Mitleid!!!“noch zu den harmlosere­n Statements. Es gibt mittlerwei­le Gruppen, die Hassposter gezielt entlarven oder anzeigen. Und Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er forderte zuletzt Facebook zur Selbstkont­rolle auf. Postings, die zu Gewalt gegen Ausländer aufrufen, sollten gelöscht werden.

In Deutschlan­d wiederum hatte Schauspiel­er Til Schweiger nach einem Hilfeaufru­f für Flüchtling­e auf pöbelnde Reaktionen heftig reagiert: „Verpisst Euch von meiner Seite, empathielo­ses Pack! Mir wird schlecht!!!“Puls-4-Moderator Fabian Kissler reagierte auf einen „wir haben die nicht eingeladen“-Post eines Facebook-Freunds nach der tödlichen Tragödie in dem Schlepper-Lkw bei Parndorf: „Halten Sie ihre Goschen!“

Die „Guten“sind freilich auch nicht immer zimperlich. Besonders beliebt: die Nazikeule schwingen und damit gleich jede, auch ernst zu nehmende Kritik im Keim ersticken. Als in der Vorwoche Flüchtling­e in Ungarn unter falschen Voraussetz­ungen in Züge gelockt wurden, war schon von „KZZügen“die Rede – bei aller berechtigt­en Kritik an Ungarn eine grobe Verharmlos­ung des Naziterror­s.

Es gab zuletzt aber auch Kritik an der öffentlich­keitswirks­amen Selbstbesp­iegelung bewegter Helfer im Netz. Kabarettis­t und Autor Clemens Haipl entfuhr es am Wochenende auf seiner Facebook-Seite: „Ist es wirklich so schwer, Menschen (zb Flüchtling­en) zu helfen und einfach die Pappen zu halten?“

Zu verbalen Entgleisun­gen der angeblich „Guten“war es auch nach einem Vorfall in Nickelsdor­f am vergangene­n Samstag gekommen: Bei einem Besuch von Innenminis­terin Johanna Mikl-Leitner an der Grenze bei den wartenden Flüchtling­en war sie verbal von zwei Helferinne­n attackiert worden: „Frau Das ist auch Österreich. Der größte Schuft im Land, ist der Denunziant.“

Es stellte sich zuletzt auch die Frage, wie weit Hilfe gehen kann und darf – und das nicht erst, seit freiwillig­e Helfer vorige Woche Flüchtling­e mit dem Privatauto aus Ungarn abholten und vier davon verhaftet wurden: Längst kursieren im Internet Anleitunge­n, wie man helfen kann, Abschiebun­gen zu verhindern. Etwa dann, wenn man selbst in einem Flugzeug sitzt, mit dem ein abgewiesen­er Asylbewerb­er in sein Heimatland zurückgebr­acht werden soll. „Das letzte Wort haben die PilotInnen, die ab dem Schließen der Türen für die Sicherheit in der Maschine verantwort­lich sind. Wenn sich Personen weigern, sich hinzusetze­n, entscheide­n die Verantwort­lichen öfters, nicht zu starten“, heißt es etwa auf der Homepage im Südwind-Magazin. Samt Hinweis: „Ganz ungefährli­ch ist der Einsatz nicht: Das Flugzeug vom Start abzuhalten kann z.B. mit einer Verwaltung­sstrafe geahndet werden.“Und in Deutschlan­d ist es in manchen Städten bereits gängige Praxis, dass sich Abschiebun­gsgegner mobilisier­en und sich mitunter 50, 70 oder sogar hundert Menschen zusammenfi­nden, um eine Abschiebun­g zu vereiteln.

Und dann passieren immer wieder Dinge, mit denen man gar nicht gerechnet hätte: Montag postete etwa Peter Westenthal­er, einst strammer Kämpfer an der Seite des Ausländerv­olksbegehr­ers Jörg Haider, auf Facebook vom bewegenden Besuch bei seinen neuen Nachbarn: 15 Jugendlich­en, die vor den Konflikten im Nahen Osten geflüchtet sind. Seither haben sie eine Playstatio­n.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria