Die EU hinkt immer hinterher
Die Union befinde sich in „keinem guten Zustand“, diagnostizierte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker in seiner Rede am Mittwoch vor dem Parlament. Er hat recht. Andererseits ist das der Normalzustand. Man geriet von der lähmenden Eurosklerose in eine zähe Verfassungs- und Erweiterungskrise, wechselte nahtlos in eine Globalisierungskrise, die sich zur Wirtschaftskrise samt angeschlossener Eurokrise auswuchs, die wiederum in die Griechenlandkrise mündete, zwischendurch die Ukrainekrise. Jetzt haben wir die Flüchtlingskrise.
Wie durch ein Wunder ist die EU bisher entgegen allen Prophezeiungen nicht zerbrochen, obwohl sie es nicht und nicht geschafft hat, eine einigende Identität zu bieten. Doch immerhin entwickelte sie sich zum weltweit größten Raum des Rechts und Wohlstands. Entweder war es ein starker Kommissionspräsident wie Jacques Delors, der in den 1980ern die Eurosklerose heilte, oder ein deutsch-französischer Motor, der immer wieder ansprang, oder es ist eine starke Führungspersönlichkeit wie jetzt Angela Merkel, die für Fortschritt sorgt.
Aber ja, eines ist wahr: Die EU hinkt immer einen Schritt hinterher. Mindestens einen Schritt. Sie ist mehr für den Marathon gedacht als für den Sprint. Das hat damit zu tun, dass erst einmal eine gemeinsame Linie gesucht werden muss, weil das Morgen meist doch überraschend anders aussieht und viel, viel schneller kommt als heute noch gedacht.
Während die EU-Kommission um die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen auch mit widerborstigen Mitgliedsländern ringt, sind längst 500.000 allein in Deutschland angekommen. Während die einen schon fürchten, überrannt zu werden, pochen die anderen auf internationale Rechtsstandards.
Und wieder ist es wie gehabt: Die Europäer sehen sich mit einer noch nie da gewesenen Herausforderung konfrontiert.
Wir werden es auch diesmal schaffen. Das Wie müssen wir erst herausfinden. Wie üblich.