„Was war Österreich, was kann, was wird es sein?“
Die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) unter der Leitung von Generaldirektorin Johanna Rachinger steht vor einem Quantensprung: Sie wird das Haus der Geschichte aufbauen und führen. SN: Warum ist die ÖNB die richtige Trägerin für so ein „Österreich-Museum“? Rachinger: Wir können für das Haus der Geschichte aus unseren Sammlungen an Fotos, Plakaten, Musikalien, Zeitungen oder anderen Originaldokumenten viele Exponate zur Verfügung stellen. Zudem haben wir Mitarbeiter mit großer Sachkompetenz – etwa zu historischer Fotografie oder politischen Plakaten. Und es ergeben sich organisatorische Synergien: Rechnungswesen, IT-Infrastruktur, Interne Revision, Gebäudemanagement oder Sponsoring brauchen für das Haus der Geschichte nicht neu aufgebaut werden. Auch der unter dem Heldenplatz geplante Bücherspeicher kann als Depot mitgenutzt werden. SN: Wird die ÖNB von einer klassischen Bibliothek mehr und mehr zum Museumsbetrieb? Die Bibliothek ist und bleibt unser Kernbereich. Eine wesentliche Aufgabe ist allerdings auch die Präsentation und Vermittlung der einzigartigen Bestände, wie wir das seit vielen Jahren im Prunksaal und in unseren Museen, dem Papyrus-, Globen- und Esperantomuseum machen. In diesem Sinne haben wir vor Kurzem auch ein Literaturmuseum eröffnet, in dem Schätze zur österreichischen Literatur leichter zugänglich sind als in einem Archiv. SN: Herzstück Ihrer Ausstellungsaktivitäten ist der Prunksaal auf dem Josefsplatz. Welche Erfahrungen haben Sie da? Wir haben immer wieder Schwerpunkte in Richtung Zeitgeschichte gesetzt – mit Ausstellungen über Anschluss, Zweiten Weltkrieg oder über in der NS-Zeit geraubte Bücher. Das Interesse an diesen Themen ist enorm. Allein in unsere Ausstellung über den Ersten Weltkrieg kamen 159.000 Besucher. Zudem gab es eine große Nachfrage von Schulen, was die große, bildungspolitische Verantwortung zeigt, die wir haben.
Und jetzt, mit den vielen Flüchtlingen, ergeben sich neue Aufgaben für ein Haus der Geschichte und die Nationalbibliothek: Was war Österreich, was kann, was wird Österreich sein? Wie vermitteln wir das den Neuankommenden? Und was können wir zu deren Integration beitragen? SN: Wo wird das Haus der Geschichte hinkommen? Das ist jetzt entschieden: in das erste Obergeschoß der Neuen Burg. Die bisher dort untergebrachte Sammlung Alter Musikinstrumente übersiedelt ab 2016 zum Großteil ins Mezzanin – im Konsens mit dem Kunsthistorischen Museum.
Die Neue Burg wird ein neuer Anziehungspunkt mit mehreren Museen sein – Weltmuseum, EphesosMuseum, Hofjagd- und Rüstkammer, Musikinstrumente (diese gehören zum KHM, Anm.) sowie Papyrusmuseum und Haus der Geschichte (beide zur ÖNB). Es soll eine neue Durchlässigkeit geschaffen werden.
„Es gibt großes Interesse für Geschichte.“
SN: Und das Äußere Heldentor? Das wird für das Haus der Geschichte immer auch mitgedacht so wie der gesamte Heldenplatz, der neu gestaltet werden soll – oben autofrei, unterirdisch soll ein Bücherspeicher entstehen. Diesen visionären Part für den Heldenplatz übernimmt Staatssekretär Mahrer. Eine für Herbst geplante Enquete dazu wird neue Impulse setzen, was ich sehr begrüße. Allerdings ändert das nichts am Grundsatzbeschluss: Das Haus der Geschichte kommt in die Neue Burg. SN: Was sind nun die nächsten Schritte? Aufgrund des wissenschaftlichen Konzepts werden wir die Kosten abschätzen – für Bau, Architektur und Ausstellungsdesign – und in der Folge die entsprechenden Aufträge erteilen. Ziel ist, das Haus der Geschichte im Herbst 2018 zu eröffnen – zu „100 Jahre Republik“. SN: Muss auch ein Gesetz novelliert werden? Ja, im Bundesmuseen-Gesetz muss das Haus der Geschichte explizit der ÖNB zugeordnet werden. Nach dieser Novelle werden wir die Stelle eines wissenschaftlichen Direktors oder einer Direktorin ausschreiben. SN: Wie wird das Haus der Geschichte in die Nationalbibliothek eingegliedert? Es wird an die ÖNB angebunden, aber inhaltlich und wissenschaftlich eigenständig sein. Ein wissenschaftlicher Beirat wird den Direktor oder die Direktorin beraten. Zudem sollen über einen Publikumsrat die Vertreter der Zivilgesellschaft eingebunden werden.