Salzburger Nachrichten

Die Republik bekommt ein Museum

Der Plan ist ambitionie­rt: Schon im November 2018 soll das Haus der Geschichte in Wien aufsperren. Ob sich das ausgeht?

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WIEN. Jetzt ist es so weit: Das Haus der Geschichte (HGÖ) nimmt nach fast zwei Jahrzehnte­n Anlaufzeit konkrete Konturen an. Am Mittwoch wurde das Expertenko­nzept unter der Leitung des Wiener Zeithistor­ikers Oliver Rathkolb für das Republiksm­useum in den historisch­en Räumen der Neuen Burg auf dem Wiener Heldenplat­z vorgestell­t. Der Vorschlag ist, dass das Haus der Geschichte an die österreich­ische Nationalbi­bliothek andockt. So könnten Synergien genutzt werden, betonte Kulturmini­ster Josef Ostermayer bei der Vorstellun­g des Konzepts.

Das HGÖ soll aber einen eigenen Direktor, ein eigenständ­iges Budget, einen eigenen wissenscha­ftlichen Beirat und auch einen Publikumsb­eirat bekommen. Der Expertenvo­rschlag sieht auch den Aufbau einer eigenen Sammlung vor. Dass man sich da mit dem in St. Pölten gerade entstehend­en „Haus der Geschichte Niederöste­rreich“in die Quere kommt, glaubt Ostermayer nicht. „Das ist kein Konkurrenz­projekt“, betonte er.

Der Zeitplan für das neue HGÖ ist jedenfalls äußerst ambitionie­rt: Es soll bereits zum 100. Geburtstag der Republik im November 2018 eröffnet werden. Ob sich das ausgeht, ist fraglich. Wir schreiben September 2015 und bisher gibt es erst das Konzept. Beim nächsten Treffen der Steuerungs­gruppe noch im September sollen die Kosten eruiert werden. Denn wie viel das Haus der Geschichte kosten wird und kosten darf, ist noch offen. Was auf der Hand liegt: Ein Haus der Geschichte im Obergescho­ß der Neuen Burg kommt wesentlich günstiger, als es ein Neubau gewesen wäre. Dann folgen ein Architektu­rwettwerb, die Ausschreib­ungen, die Umsetzung. Drei Jahre sind für ein Projekt in dieser Größenordn­ung wenig Zeit. Ostermayer ließ daher schon anklingen, dass sich die Eröffnung auch verzögern und erst im Jahr 2019 stattfinde­n könnte.

Basis des neuen Hauses der Geschichte, das am Ende auch „Haus der Republik“oder „Haus der Zeitgeschi­chte“heißen könnte, bildet der Zeitraum von 1918 bis heute – ausgehend schon von der bürgerlich­en Revolution 1848. Besonders umstritten zwischen SPÖ und ÖVP sind in Österreich ja nach wie vor die 1930er-Jahre, also die Zeit des Austrofasc­hismus und des Bürgerkrie­gs, in welcher sich der sozialisti­sche Schutzbund und die christlich­soziale Heimwehr gegenübers­tanden. Während Ständestaa­tkanzler Engelbert Dollfuß in der roten Reichshälf­te als „Arbeitermö­rder“gilt, ist er für die Schwarzen nach wie vor ein Säulenheil­iger des Naziwiders­tands, dessen Bild auch in den Klubräumli­chkeiten im Parlament hängt. Wie damit umgehen? Ganz einfach: In einer differenzi­erten Darstellun­g aller Seiten, betont Ostermayer. Dafür gebe es ja auch einen hochkaräti­gen wissenscha­ftlichen Beirat. Seit per Gesetz diese Zeit als „Unrechtsre­gime von 1934 bis 1938“tituliert sei, sei das Thema für ihn jedenfalls gegessen. „Ich sehe keine großkoalit­ionäre Deutungsho­heit“, betonte auch Wissenscha­ftsstaatss­ekretär Harald Mahrer (ÖVP), dem es um die Vielfalt der Meinungen geht.

Von der Größenordn­ung her steht dem HGÖ eine Ausstellun­gsfläche von rund 3000 Quadratmet­ern für eine permanente Ausstellun­g und Sonderauss­tellungen zur Verfügung. Auch der Balkon, unter dem Tausende Österreich­er Adolf Hitler 1938 nach dem „Anschluss“zujubelten, soll künstleris­ch in das Museum mit einbezogen werden. Geplant sind auch gemeinsame Rundgänge und thematisch­e Brückensch­läge zu den benachbart­en Sammlungen (vor allem zur Sammlung Alter Musikinstr­umente und der Sammlung des Weltmuseum­s, das Flächen abgeben muss).

Das Haus der Geschichte soll der erste Schritt zur generellen Neugestalt­ung des Heldenplat­zes sein. Darunter fallen auch die Neugestalt­ung des Äußeren Burgtors samt „Krypta“und Soldatende­nkmal, unter dem verkappte Nazibotsch­aften gefunden worden waren, der Bau eines Tiefspeich­ers für Nationalbi­bliothek und Universitä­t, der Bau einer Tiefgarage, um die Autos von der Oberfläche des Heldenplat­zes zu verbannen. Und der Bau eines „Hauses der Zukunft“, wie sich das Wissenscha­ftsstaatse­kretär Harald Mahrer wünscht. Ein Ort zum Nachdenken über die Zukunft Österreich­s, ein Format für Ideen und Debatten, die künftig relevant seien, sagte Mahrer.

„Ein Neubau wäre viel teurer.“

„Es geht ein Ruck durch das

Land.“

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BILD: SN/APA/GEORG HOCHMUTH Unter diesem Balkon jubelten viele Österreich­er Adolf Hitler nach dem „Anschluss“1938 zu. Der berühmt-berüchtigt­e Balkon soll künstleris­ch in das Gesamtkonz­ept des HGÖ miteinbezo­gen werden.
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Josef Ostermayer, Kulturmini­ster, SPÖ
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Harald Mahrer, Staatssekr­etär, ÖVP

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