Die neue Lust am Fotografieren
Bei Instawalks wandern Fotobegeisterte durch die Stadt. Mit dem Smartphone jagen sie nach den besten Motiven und online nach der höchsten Anzahl an Herzchen.
Vor dem „Central“in der Linzer Gasse. Eine Gruppe starrt kollektiv auf das Handy. Ein Lachen durchbricht die Szene, zwei Frauen schauen kurz auf. „Eine komische Stimmung“, sagt eine, „jeder tippt und keiner redet.“Die Gruppe ist damit beschäftigt, Fotos auf Instagram hochzuladen, eine Onlineplattform für Fotografie. Die Bloggerin Carolina Hubelnig hat einen Fotospaziergang organisiert. Instawalk heißt das. Dabei fotografieren die Teilnehmer alles, was zu einem Thema passt. Diesmal ist #Salzburgretro dran. Überbleibsel aus den 50er- und 60er-Jahren werden im Straßenbild gesucht. Die Raute, Hashtag genannt, sammelt alle Bilder auf der Onlineplattform.
Instagram wächst rasant. Nach eigenen Angaben hat man 300 Millionen Nutzer. Jeden Tag werden 70 Millionen Fotos geteilt – und mit Herzchen versehen. Herzchen bedeuten, dass das Foto gefällt.
Für den Fotografen Herman Seidl erklärt sich die Beliebtheit durch die Einfachheit. „Menschen haben ein Kommunikationsbedürfnis. Instagram macht es ihnen leicht, ihre Erlebnisse visuell zu dokumentieren und zu teilen.“Seidl ist Vereinsvorstand des Fotohof, des Orts für zeitgenössische künstlerische Fotografie in Salzburg. Auch viele Fotokünstler verwenden Instagram, um ihr Werk bekannter zu machen.
Die Nutzer von Instagram interessiert jedoch vor allem das Schöne im Leben: „Am besten sind Bilder zum Vegan-Trend, zu Fitness, zu Lifestyle“, sagt Bloggerin Hubelnig, während sie ein Foto mit #Salzburgretro online stellt. Früher war es der Alltag, den die Instagrammer ablichteten. Heute fotografieren sie das Außergewöhnliche im Leben, suchen nach neuen Blickwinkeln. Sie herzen schöne Fotos, die oft durch Instagram-Filter entstehen. „Plötzlich sieht das Foto aus wie ein Polaroid aus den 70er-Jahren, das macht es interessant“, sagt Hubelnig. Professionelle Instagrammer achten aber darauf, wenige Filter zu verwenden, um eine einheitliche Bildersprache zu entwickeln.
Für Fotograf Seidl ist Instagram nicht nur ein Medium für eine schöne, heile Welt. „Es ist auch Platz für komplexe und schwierige Themen – man muss es nur machen.“Die vermehrte Kommunikation mit Fotografie habe den Effekt, dass sich die Menschen Bilder genauer ansähen. „Fotografie bewegt mehr denn je, wenn sie Geschichten erzählt.“
Die Instawalker sind inzwischen in einem Café angekommen und rufen nach dem Kellner. Letzte Station. Anna Schlabitz bestellt Rosenspritzer. Die Farbe der Rosenblätter sei so schön zum Fotografieren. Das Bild hat schnell 464 Herzchen gesammelt. Kein Wunder, Schlabitz hat mehr als 10.000 Follower. Für sie ist Instagram ein Ausgleich zum Alltag: „Früher habe ich Bilder gemalt, heute habe ich keine Zeit mehr dafür. Deshalb mache ich Fotos, für meine kreative Ader.“
Ein Instawalk der SN zum Thema „Wie Zeitung entsteht“findet am 22. Oktober statt. Infos dazu unter