„Keine Goldgräberstimmung, aber große Chancen in vielen Sektoren“
Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sagt, im Iran seien die Weichen für einen wirtschaftlichen Aufholprozess gestellt. SN: Die Euphorie über eine baldige Öffnung des Iran ist so groß, dass man glauben könnte, hier müssen Unternehmer nur zugreifen. Wird es wirklich so einfach? Mitterlehner: Der Eindruck, dass Goldgräberstimmung herrscht, wenn die Sanktionen weg sind, stimmt sicher nicht. Wir erwarten Chancen in Sektoren, die bisher von Sanktionen betroffen sind. Das ist aber kein absolut sicherer Erfolg. Wir als Staat versuchen, mit Strukturen und einer Road Map bis 2020 den Firmen Orientierung und Sicherheit zu geben, wo sie investieren können. SN: Wo liegen die Chancen? Das Interesse des Iran lässt sich leicht festmachen: Das Land hat bedingt durch die Sanktionen, aber auch generell großen Nachholbedarf bei Infrastruktur – von Straßen, Bahnen und Schifffahrt bis zu Häfen. Allein bei Erdölund Erdgasförderanlagen sowie Raffinerien wird der Bedarf auf 500 Mrd. Euro geschätzt. Dazu kommen fehlende Standards und Probleme bei Themen wie Umwelt, Wasserversorgung, Klimaschutz. Die Herausforderungen sind unbeschreiblich groß. SN: Auch der Finanzbedarf. Der Knackpunkt ist die Finanzierung, zumindest kurzfristig. Die Liquidität dürfte nicht übermäßig groß sein, auch weil ein Teil des Geldverkehrs blockiert ist. Das dürfte sich in den nächsten Monaten bessern und innerhalb eines Jahres einspielen, wenn die Sanktionen wegfallen. Mit Hilfe der Kontrollbank sehe ich gute Chancen für Österreichs Firmen, vor allem weil sie den Verhandlungsbonus haben. Die mögen uns irgendwie hier. Das zeigt auch die Zusammensetzung der Delegation. Üblicherweise sind ein oder zwei Minister bei einem Mittagessen dabei. In Teheran war es die halbe Regierung. SN: Woher soll das Geld kommen? Der Iran hat ein Budgetdefizit und leidet unter dem geringen Ölpreis? Es wird entsprechende Finanzierung von außen geben. Es ist genügend Geld auf dem Markt, es fehlen eher die konkreten Projekte. Wenn die Sanktionen weg sind, ist es nur eine Frage der Zeit, bis das ins Laufen kommt, weil beim Iran etwas dahinter steht, das ist ein Land mit 80 Millionen Menschen. Da sehe ich eine Riesenwucht, die erst spürbar wird. Außer Russland gibt es kein anderes Land, das eine derartige Kraft entwickeln könnte. SN: Sollte sich das Rad der Sanktionen wieder zurückdrehen, schadet das Firmen, die schon investiert haben? Meiner Meinung nach ist der politische „Point of no return“schon erreicht. Im Iran und in Amerika. SN: Ich meinte eher, was passiert, wenn der Iran in drei oder vier Jahren wieder ausschert? Das könnte schon sein. Wir haben mit dem Parlamentspräsidenten diskutiert, dass es Fallstricke gibt, insbesondere, wenn bei Kontrollen der internationalen Atomenergiebehörde ein Problem auftaucht. Nichts ist ohne Risiko. Das Problem ist ein politisches, es sind nicht alle in der Region Freunde des Iran, die nur darauf warten, dass das Land wirtschaftlich prosperiert. SN: Sie haben Übereinkommen mit der Regierung in Teheran unterzeichnet, etwa für eine künftige Kooperation im Umweltbereich. Sind das mehr als Absichtserklärungen? In Wahrheit sind die Schienen damit schon gelegt. Man weiß Firmen einzuschätzen, man kennt die Menschen, die Produkte. Sobald die Weichen gestellt sind, ist das eine Riesenchance. Sonst machen andere das Geschäft. Natürlich gibt es auch hier ein Risiko. Von den Unternehmen hat aber auch niemand erwartet, dass sie mit konkreten Aufträgen aus Teheran heimkehren.