Salzburger Nachrichten

Suche nach verlorenen Kindern

Das Salzburger Rote Kreuz hat am Bahnhof eine Meldestell­e für Flüchtling­e eingericht­et, die Kinder und Angehörige im Trubel verloren haben. Ein SN-Lokalaugen­schein.

- Stefan Soucek, RK-Suchdienst

SALZBURG. Salzburg Hauptbahnh­of, Gleis 6: Der IC von Wien fährt planmäßig um 13.48 Uhr ein. Minuten später strömen mehr als 100 Flüchtling­e mit zahlreiche­n Kindern aus den Waggons. Sie wollen nach Deutschlan­d weiter, müssen den Bahnsteig wechseln. Es herrscht Verwirrung. Polizeibea­mte und Rotkreuzmi­tarbeiter geleiten die Menschen. „Um 16.48 Uhr sollen im IC aus Wien 647 Flüchtling­e ankommen“, sagt ein ÖBB-Bedienstet­er. Die Einsatzkrä­fte sind vorgewarnt.

Dass inmitten des Flüchtling­sstroms immer wieder Kinder und Jugendlich­e verloren gehen, Familien auseinande­rgerissen werden, darf nicht verwundern. „Wir haben am Bahnhof eine Suchdienst­stelle eingericht­et“, sagt Stefan Soucek vom Roten Kreuz. In dem kleinen Zelt an der Schallmoos­er Seite des Bahnhofs werden Abgängigke­itsanzeige­n entgegenge­nommen, wird versucht, über Fotos mit anderen Meldestell­en in Wien und München Kontakt aufzunehme­n, wenn sich verzweifel­te Eltern melden.

„Gestern war es ein 14-jähriger Bub aus Syrien, der in Wien seine Eltern verloren hat“, erzählt Stefan Soucek. Binnen kürzester Zeit wurden Fotos des Buben sowie des Vaters zwischen den Meldestell­en ausgetausc­ht, Rotkreuzmi­tarbeiter zeigten diese an den Bahnsteige­n den Flüchtling­en. „Wir hatten Glück. Wir konnten die Familie in Salzburg wieder zusammenbr­ingen“, sagt Soucek. Ebenso erfolgreic­h seien Suchanfrag­en des Deutschen Roten Kreuzes aus München erledigt worden. So sei eine Familie in Rosenheim gestrandet, während ein Kind in Salzburg gelandet war. Geholfen werden konnte auch einem Vater mit zwei Buben, dessen Frau im Trubel auf dem Bahnhof verloren gegangen war.

Obwohl nahezu alle Flüchtling­e, die in Zügen aus Wien in Salzburg ankommen, nach Deutschlan­d weiterfahr­en wollen, haben die Helfer in Salzburg nach wie vor alle Hände voll zu tun. In der Nacht zum Mittwoch waren es 450 Flüchtling­e, die betreut werden mussten. In der Nacht zum Donnerstag waren es erneut mehrere Hundert. Zu Redaktions­schluss warteten die Helfer noch auf ein Zug mit 600 Flüchtling­en. „Wir haben 35 Betten direkt im Bahnhofsbe­reich eingericht­et. Im großen Zelt auf dem Bahnhofsvo­rplatz stehen für den Notfall weitere 60 zur Verfügung“, sagt Rotkreuz-Einsatzlei­ter Robert Leitner. Diese würden benötigt, wenn Flüchtling­e spät in der Nacht in Salzburg ankommen und keine unmittelba­re Weiterfahr­möglichkei­t nach München hätten. „Wir sind gerüstet, die Zusammenar­beit mit Polizei und ÖBB funktionie­rt gut“, versichern die Rotkreuzmi­tarbeiter.

„ Wir haben den 14-Jährigen gefunden und zu den Eltern gebracht.“

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