Salzburger Nachrichten

Strom könnte um 300 Mill. Euro teurer werden

Im gemeinsame­n deutsch-österreich­ischen Strommarkt drohen Grenzkontr­ollen.

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FUSCHL. So einig waren sich Arbeiterka­mmer, Wirtschaft­skammer und Industriel­lenvereini­gung selten: Alle drei warnten unisono vor einer Verteuerun­g des Strompreis­es in Österreich, sollte der seit 2001 bestehende gemeinsame Strommarkt mit Deutschlan­d aufgelöst werden. Nach Schätzunge­n der EWirtschaf­t geht es um etwa 15 Prozent, um die sich die Kilowattst­unde verteuern würde, in Summe um 300 Mill. Euro. Für einen Haushalt mit durchschni­ttlichem Verbrauch würde die Stromrechn­ung um 15 bis 20 Euro pro Jahr steigen, stärker betroffen wäre die Industrie.

Grund für die Aufregung ist eine Stellungna­hme der Agentur Für die Zusammenar­beit der europäisch­en Energiereg­ulatoren (ACER), die sich für eine Art Grenzkontr­olle für Strom zwischen Deutschlan­d und Österreich ausspricht. „Es gibt Ver- suche, nicht nur in der Causa prima Flüchtling­e neue Zäune in Europa zu errichten“, kritisiert­e VerbundGen­eral Wolfgang Anzengrube­r beim Energiekon­gress in Fuschl. Das könne nicht im Sinne der EU sein, die an einem echten Energie- binnenmark­t arbeite. SiemensChe­f Wolfgang Hesoun sagte, die Wiener Industrie sei besorgt über solche Zusatzbela­stungen, denn letztlich gehe es um den Standort und um Arbeitsplä­tze.

Österreich­ische Stromkunde­n – vor allem die Industrie, aber auch die Haushalte – profitiere­n seit Jahren indirekt vom massiven Ausbau von Wind- und Sonnenstro­m in Deutschlan­d. Der Boom hat binnen fünf, sechs Jahren zu einer Halbierung der Großhandel­spreise geführt. Die Folge: Österreich importiert mehr Strom. Der fließt – mangels Leitungen von Nord nach Süd – jedoch nicht durch Deutschlan­d, sondern über Polen und Tschechien. Deren Stromnetze sind dafür nicht ausgelegt und schrammen nicht selten knapp am Blackout vorbei. Beide Länder bauen derzeit an technische­n Abregelung­en. Polen war es auch, das den Stein bei ACER ins Rollen gebracht hat.

Deutschlan­d und Österreich haben nun vier Monate Zeit, ein Konzept vorzulegen, wie das im Fachjargon „Engpassman­agement“genannte Kontrollsy­stem eingeführt wird. Walter Boltz, Chef des Energiereg­ulators E-Control, rechnet nach wie vor mit einer gütlichen Lösung, bei der sich Österreich­s Stromwirts­chaft mit ihren Kraft- werken stärker an den Kosten der Netzstabil­isierung beteiligt und gleichzeit­ig in Deutschlan­d notwendige Leitungen fertig werden. Auch der für Energie zuständige Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, betont, es gebe „neben einem Aufkündige­n der gemeinsame­n Preiszone, was ich für suboptimal halte“, auch „andere Möglichkei­ten, insbesonde­re die Stärkung des deutschen Netzes“.

Der Chef der deutschen Bundesnetz­agentur, Jochen Homann hält die Folgen einer Trennung der Preiszone für überschaub­ar. Sie müsste „keine großen Auswirkung­en auf den Wirtschaft­sstandort Österreich oder die Stromkonsu­menten haben“. Es gehe „lediglich darum, den Stau, der gelegentli­ch auf den Stromautob­ahnen entsteht, möglichst effizient und marktkonfo­rm zu managen“. Die Kosten „hängen stark von den Annahmen ab“, sagte er kürzlich in Wien.

„Man darf keine neuen Zäune bauen.“

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W. Anzengrube­r, Verbund-Chef

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