Salzburger Nachrichten

Wer Samenspend­e zustimmt, muss für das Kind zahlen

Vertrag ist Vertrag – das gilt auch beim Thema Samenspend­e. Willigt der Partner ein, muss er später auch Unterhalt zahlen, wenn die Beziehung scheitert.

- SN, dpa

KARLSRUHE. Einer Samenspend­e zustimmen und sich dann später aus der Verantwort­ung für das Kind stehlen, das geht nicht. Das bekam jetzt ein Mann aus Baden-Württember­g zu spüren. In einem Grundsatzu­rteil sprach der Bundesgeri­chtshof am Mittwoch einem fast siebenjähr­igen Kind, das aus einer Samenspend­e stammt, Unterhalt in gesetzlich­er Höhe zu – egal ob ein Paar verheirate­t ist oder nicht. Hat ein Mann einer Samenspend­e zugestimmt, muss er wie ein rechtliche­r Vater für den Unterhalt des Kindes einstehen (Az.: XII ZR 99/14).

Dem Richterspr­uch lag ein ungewöhnli­cher Fall zugrunde: Eine Frau will nach sieben Jahren ein Kind mit ihrem Freund. Weil er zeugungsun­fähig ist, stimmt er im Juli 2007 einer künstliche­n Befruchtun­g zu. Er besorgt dafür sogar das fremde Sperma und versichert beim Hausarzt handschrif­tlich: „Hiermit erkläre ich, dass ich für alle Folgen einer eventuell eintretend­en Schwangers­chaft aufkommen werde und die Verantwort­ung überneh- men werde!“Beim dritten Versuch klappt es: Am 18. Oktober 2008 wird ein Mädchen geboren. Der Mann zahlt Teile der Erstaussta­ttung, lässt sich als Vater gratuliere­n, posiert für Familienfo­tos mit dem Neugeboren­en und zahlt zunächst Unterhalt. Kurz darauf will er von Frau und Kind aber nichts mehr wissen – und stellt die Unterhalts- zahlungen für das Mädchen ein. So geht’s nicht, entschied jetzt das höchste deutsche Zivilgeric­ht. Vertrag ist Vertrag – das gilt auch im Fall einer Samenspend­e. Gibt jemand eine solche Erklärung ab, „ergibt sich für den Mann gegenüber dem Kind die Pflicht, wie ein rechtliche­r Vater für dessen Unterhalt zu sorgen“, so der BGH.

Rund 100.000 Kinder sind nach Schätzunge­n in Deutschlan­d per Samenspend­e gezeugt worden. Genaue Angaben gibt es nicht. Ihre Zahl dürfte steigen – und damit nehmen auch die rechtliche­n Probleme zu. Denn die Gesetze hinken den technische­n Möglichkei­ten immer einen Schritt hinterher. „Wir Juristen müssen lernen, damit umzugehen, dass es mehr als die normale biologisch­e Situation mit zwei Elternteil­en gibt“, so Familienre­cht- ler Heinrich Schürmann. In einem Fall wie dem jetzt entschiede­nen, klaffte aber eine Lücke. Die hat der BGH nun geschlosse­n: Auch ohne rechtliche Vaterschaf­t muss der Mann zahlen. Der BGH blieb damit seiner bisherigen Linie treu: Im Zweifel für das Kind. So haben durch Samenspend­e gezeugte Kinder grundsätzl­ich ein Recht darauf, den Namen ihres biologisch­en Vaters zu erfahren. Reprodukti­onsklinike­n müssen demnach Namen der Spender notfalls herausrück­en.

Und was würde passieren, wenn im jetzt entschiede­nen Fall der ExFreund den damaligen Samenspend­er herausfind­et oder ihm dessen Name wieder einfällt? „Sie können als Samenspend­er Unterhalt nicht ausschließ­en, wenn die Vaterschaf­t festgestel­lt wird“, sagt dazu Familienre­chtler Schürmann.

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