Die Gräben werden tiefer
Das Flüchtlingsthema spaltet die Politik. Die Regierung musste sich am Donnerstag im Parlament einem Misstrauensantrag stellen.
Bis zu 10.000 Flüchtlinge sind am Donnerstag nach Österreich gekommen, schätzt das Rote Kreuz. Sie wurden versorgt und in Notquartieren untergebracht. Die meisten wollen nach Deutschland weiterreisen. Ein Szenario, das sich in Österreich seit Wochen täglich wiederholt. Vor diesem Hintergrund diskutierte der Nationalrat am Donnerstag über die Flüchtlingssituation. Die FPÖ hatte 37 Fragen an Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) gerichtet. Dabei kritisierten die Freiheitlichen unter anderem, dass es praktisch keine Grenzkontrollen mehr gebe, Zehntausende Menschen illegal in Österreich einreisten und die Folgen davon nicht abzuschätzen seien. Strache sprach von einer neuen „Völkerwanderung, und wer das abstreitet, der lügt sich in die eigene Tasche“. Ein Misstrauensantrag der Freiheitlichen gegen die gesamte Regierung fand erwartungsgemäß keine Mehrheit.
Wie konträr die Standpunkte sind, zeigte eine Aktion der Grünen. Die stellten während der Re- de von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine Spendenbox mit der Aufschrift „Flüchtlingshilfe“auf. „Pro Unwahrheit der FPÖ spenden wir heute für unbegleitete Minderjährige“, verkündeten sie. Genutzt wurde die Gelegenheit zum Spenden aber auch von den Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Neos, wodurch die auf dem Tisch von Grünen-Chefin Eva Glawischnig platzierte Spendenbox schon nach 20 Minuten gut gefüllt war.
„Ich freue mich über die Aktion für die Flüchtlingshilfe“, bekundete auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) gleich zu Beginn seiner Rede, in der er die Notwendigkeit einer „breiten Solidarität“in Europa betonte. Seinen Dank richtete er an alle ehrenamtlichen Helfer. Wortmeldungen der FPÖ, bei den Flüchtlingen handle es sich hauptsächlich um Wirtschaftsflüchtlinge, bezeichnete er als „pauschale Abqualifizierung“. Faymann sagte weiters, Europa befinde sich in einer sehr schwierigen Situation, „das darf niemand abstreiten“. Und er verwies darauf, dass es nicht möglich sei, dass in Europa und darüber hinaus Österreich, Deutschland, Schweden, die Niederlande und Finnland das Asylrecht allein ernst nehmen. Den Vorwurf der FPÖ, dass in den vergangenen Wochen Tausende Menschen ohne Kontrollen ins Land gelassen wurden, wies Faymann zurück. „Es muss das gelindeste Mittel zum Einsatz kommen“, sagte der Kanzler. Bei den Grenzkontrollen gehe es vor allem darum, Schlepper zu bekämpfen.
Der Regierungschef räumte ein, dass unter den Flüchtlingen auch Menschen seien, die kein Recht auf Asyl hätten. „Aber pauschal Menschen abzuqualifizieren heißt, ihnen das Recht auf Menschenwürde, auf Asyl, zu verweigern“, sagte er. Ein klares Nein gab es von Faymann einmal mehr für die Bestrebungen, Grenzzäune aufzustellen. Die Debatte verlief – wohl auch aufgrund der nahenden Landtagswahlen – ungewöhnlich emotional, die Nationalratspräsidentin musste zahlreiche Ordnungsrufe erteilen.