Die EU ist zum Funktionieren gezwungen
Eine gemeinsame Strategie in der Flüchtlingskrise ist erst der Anfang. Die EU hat zu viel Zeit vertan, als dass bei der Umsetzung jetzt noch Fehler erlaubt wären.
Die EU – und damit ist in diesem Fall die Summe der 28 Mitgliedsstaaten gemeint – war in der Flüchtlingskrise zu lang untätig. Es kommt nicht überraschend, dass die Versorgung in den Flüchtlingslagern rund um Syrien schlechter wird, wenn die Länder ihre Beiträge an die Hilfsorganisationen kürzen. Auch dass als Folge Flüchtlinge von dort weiterziehen Richtung Europa, kommt nicht überraschend. Es muss der EU bewusst gewesen sein. Das war es auch, ansonsten hätte die Kommission wohl nicht bereits im Mai eine neue Migrationsstrategie, inklusive Verteilungsquote, vorgeschlagen.
Nun ist es müßig und nicht hilfreich, über die vergeudete Zeit zu lamentieren. Die EU muss jetzt handlungsfähig werden, die Eskalation der Lage zwingt sie zum Funktionieren. Und sie tut es. Ein erstes Indiz dafür war der Mehrheitsentscheid für die Umverteilung von 120.000 Flüchtlingen am Dienstag im Rat der Innenminister. Die EU-Länder haben sich die Möglichkeit zum Überstimmen einer Minderheit selbst gegeben, gerade um eine Handlungsunfähigkeit der Union in wichtigen Fragen zu vermeiden. Das Ergebnis zu akzeptieren und auch umzusetzen muss für die überstimmten Länder außer Frage stehen, es ist ein Grundprinzip der Demokratie.
Die Verteilung von Flüchtlingen bleibt aber nur ein erster Schritt. Weitere wurden von der Kommission längst vorgeschlagen. Darunter mehr Zusammenarbeit bei der Sicherung der Außengrenzen und der Registrierung von Flüchtlingen, eine bestimmtere Außenpolitik und Unterstützung für Hilfsorganisationen und die Nachbarländer des Kriegslandes Syrien.
Beim EU-Sondergipfel gestern, Mittwoch, folgte erstmals ein gemeinsames Bekenntnis der europäischen Länder zu einer Strategie, die kurzfristige und langfristige Ziele gleichermaßen setzt. Zu dieser Grundsatzeinigung zu gelangen war ein Kraftakt. Die weitaus größere Anstrengung wird aber erst folgen, denn den Lippenbekenntnissen müssen nun Taten folgen.
Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen wird politisch und logistisch schwierig. Von ihrem Gelingen hängt es ab, ob die EU als handlungsfähige Gemeinschaft wahrgenommen wird, die Probleme lösen kann. Mit jedem Tag, an dem sie es nicht schafft, wird die Lage sowohl für die Flüchtlinge in unterfinanzierten Lagern als auch an den EU-Grenzen schlimmer.