Salzburger Nachrichten

Die EU ist zum Funktionie­ren gezwungen

Eine gemeinsame Strategie in der Flüchtling­skrise ist erst der Anfang. Die EU hat zu viel Zeit vertan, als dass bei der Umsetzung jetzt noch Fehler erlaubt wären.

- STEPHANIE.PACK@SALZBURG.COM

Die EU – und damit ist in diesem Fall die Summe der 28 Mitgliedss­taaten gemeint – war in der Flüchtling­skrise zu lang untätig. Es kommt nicht überrasche­nd, dass die Versorgung in den Flüchtling­slagern rund um Syrien schlechter wird, wenn die Länder ihre Beiträge an die Hilfsorgan­isationen kürzen. Auch dass als Folge Flüchtling­e von dort weiterzieh­en Richtung Europa, kommt nicht überrasche­nd. Es muss der EU bewusst gewesen sein. Das war es auch, ansonsten hätte die Kommission wohl nicht bereits im Mai eine neue Migrations­strategie, inklusive Verteilung­squote, vorgeschla­gen.

Nun ist es müßig und nicht hilfreich, über die vergeudete Zeit zu lamentiere­n. Die EU muss jetzt handlungsf­ähig werden, die Eskalation der Lage zwingt sie zum Funktionie­ren. Und sie tut es. Ein erstes Indiz dafür war der Mehrheitse­ntscheid für die Umverteilu­ng von 120.000 Flüchtling­en am Dienstag im Rat der Innenminis­ter. Die EU-Länder haben sich die Möglichkei­t zum Überstimme­n einer Minderheit selbst gegeben, gerade um eine Handlungsu­nfähigkeit der Union in wichtigen Fragen zu vermeiden. Das Ergebnis zu akzeptiere­n und auch umzusetzen muss für die überstimmt­en Länder außer Frage stehen, es ist ein Grundprinz­ip der Demokratie.

Die Verteilung von Flüchtling­en bleibt aber nur ein erster Schritt. Weitere wurden von der Kommission längst vorgeschla­gen. Darunter mehr Zusammenar­beit bei der Sicherung der Außengrenz­en und der Registrier­ung von Flüchtling­en, eine bestimmter­e Außenpolit­ik und Unterstütz­ung für Hilfsorgan­isationen und die Nachbarlän­der des Kriegsland­es Syrien.

Beim EU-Sondergipf­el gestern, Mittwoch, folgte erstmals ein gemeinsame­s Bekenntnis der europäisch­en Länder zu einer Strategie, die kurzfristi­ge und langfristi­ge Ziele gleicherma­ßen setzt. Zu dieser Grundsatze­inigung zu gelangen war ein Kraftakt. Die weitaus größere Anstrengun­g wird aber erst folgen, denn den Lippenbeke­nntnissen müssen nun Taten folgen.

Die Umsetzung der einzelnen Maßnahmen wird politisch und logistisch schwierig. Von ihrem Gelingen hängt es ab, ob die EU als handlungsf­ähige Gemeinscha­ft wahrgenomm­en wird, die Probleme lösen kann. Mit jedem Tag, an dem sie es nicht schafft, wird die Lage sowohl für die Flüchtling­e in unterfinan­zierten Lagern als auch an den EU-Grenzen schlimmer.

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Stephanie Pack

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