Salzburger Nachrichten

„Flüchtling­e sind, was wir brauchen“

Zukunftsfo­rscher Ray Hammond: Veraltetes Europa braucht Junge.

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FUSCHL. Wie kommt ein Zukunftsfo­rscher zu seinen Vorhersage­n? Ray Hammond, seit 35 Jahren im Geschäft, schaut sich vor allem die großen Trends der Gegenwart an. „Sicher, Geschichte ist hilfreich“, sagt er im SN-Gespräch am Rande des Verbund-Energiekon­gresses, „aber alle Ideen, die ich über die Zukunft habe, basieren auf Dingen, die man über Jahrzehnte sieht und die die meisten Menschen identifizi­eren können“: vom ungleichen Bevölkerun­gswachstum in der Welt über den Klimawande­l bis zur daraus resultiere­nden Energiekri­se.

Auch die aktuelle Flüchtling­skrise in Europa war laut Hammond vorherzuse­hen: „Wenn es einen Teil der Welt gibt, der extrem entwickelt ist und reicher wird, ist es klar, dass Menschen, die clever genug sind, in diese Länder zu kommen, das auch wollen werden.“Dazu komme die Globalisie­rung der Kommunikat­ion. „Wenn Deutschlan­d sagt: Wir nehmen Flüchtling­e auf, weiß man das in anderen Teilen der Welt binnen dreißig Minuten.“Die Migrations­welle sei auch kein momentanes Problem. „Was jetzt passiert, ist erst der Anfang einer Krise, die Jahrzehnte oder sogar das restliche Jahrhunder­t dauern wird.“

Aus Sicht Hammonds sind die Neuankömml­inge aber „genau das, was das müde, alte Europa braucht: Wir brauchen mehr junge, kräftige Menschen, die bereit sind, das Risiko, hierherzuk­ommen, auf sich zu nehmen. Und wir brauchen diese Art von Menschen, die bereit sind, sich zu integriere­n, und die Möglichkei­ten nützen, die Steuern zu verdienen.“Obwohl es die Bürger nicht wollten, seien in Ländern wie Deutschlan­d, Italien oder auch Österreich junge Menschen notwendig, um – angesichts der alternden Bevölkerun­g – Steuern zu zahlen und sich um die Alten zu kümmern. „Noch funktionie­rt das alles, aber nur noch 10 bis 15 Jahre“, ist er überzeugt. Religion spielt seiner Meinung nach insofern eine Rolle, als sich Buddhismus und Hinduismus schnell an neue Gegebenhei­ten anpassen, wenn sie „verpflanzt“werden, der Islam weniger. Viel hänge aber von den Regierunge­n in den Gastländer­n ab. Lernen könnten die Europäer von den USA. „Der Fokus liegt darauf, dass du Amerikaner wirst und die amerikanis­chen Werte annimmst“, sagt Hammond. „In Großbritan­nien bitten wir die Immigrante­n nicht, Briten zu werden.“

Eine spezielle Gefahr sieht er, sollte es nicht gelingen, den rund zwei Milliarden ärmsten Menschen der Welt eine Perspektiv­e zu bieten. „Wenn die Welt sie vergisst, während wir immer besser leben, wird es nach der Flüchtling­skrise eine Terrorismu­s-Krise geben.“Und es werde den Terrorismu­s von heute nach nichts aussehen lassen.

Ganz falsch liegt Hammond mit seinen Prognosen bisher nicht. Da viele seiner Bücher älter als 30 Jahre seien, könnten seine Leser das prüfen. „Ich lebe jetzt in der Zukunft, die ich in den 80er-Jahren beschriebe­n habe.“So habe er eine Uhr kommen sehen, die Gesundheit­sdaten misst. Geirrt habe er sich bei der Einschätzu­ng, dass um die Jahrtausen­dwende Bargeld abgeschaff­t sein werde. Technologi­sch sei das längst möglich, unterschät­zt habe er den konservati­ven Umgang der Menschen mit Bargeld. Hammond: „Keiner weiß, wie die Zukunft sein wird, was wir wissen können, ist, was Thema sein könnte.“

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