Salzburger Nachrichten

Das ist alles nur getrickst, alles gar nicht wahr

Der VW-Skandal ist kein Wirtschaft­sSkandal wie jeder andere. Er sprengt alle Dimensione­n.

- KARIN.ZAUNER@SALZBURG.COM Karin Zauner

Große Krisen bergen die Chance, viel Besseres hervorzubr­ingen.

Ich will dich gern verführ’n, doch bald schon merke ich: Das wird nicht leicht für mich. Ich bau mir eine Software, und werd der Stickoxide Herr, auf meinen Heiligensc­hein fällst du sicher rein. Das ist alles nur getrickst, alles gar nicht wahr. Es ist ein Gerücht, dass die Ingenieure bei Volkswagen den alten Prinzen-Song so umgetextet haben. Aber bestätigt ist: Volkswagen hat seine Kunden betrogen. Von ihnen Geld für besonders umweltfreu­ndliche Autos kassiert, die in Wahrheit die Umwelt verschmutz­en und die Gesundheit der Menschen gefährden. Oder wie sollte man das sonst nennen, wenn Abgaswerte beim Fahren auf der Straße um ein Vielfaches höher sind, als der Konzern glaubhaft machen wollte, weil er bei Tests eine Manipulati­onssoftwar­e einsetzt – in elf Millionen Autos weltweit?

Der VW-Skandal ist kein Wirtschaft­sskandal wie andere. Auch wenn viele versucht sind, Vergleiche mit anderen wie Toyota oder General Motors anzustelle­n, sind sie nicht zulässig.

Ja, sowohl beim japanische­n als auch beim amerikanis­chen Autobauer hat es sogar Tote durch hängen gebliebene Gaspedale oder defekte Zündschlös­ser gegeben. Auf den ersten Blick erscheinen die Trickserei­en bei Stickoxide­n im Vergleich dazu harmlos. Ein Irrtum. Bei Volkswagen haben Verantwort­liche mit Absicht Behörden, Staaten und Kunden hinters Licht geführt, aus Gier und für den eigenen Erfolg. Bei Toyota und General Mo- tors hingegen sind schwerwieg­ende Fehler passiert, mit denen die Verantwort­lichen dann noch fahrlässig umgegangen sind.

Es ist auch falsch zu sagen, wegen Stickoxid-Trickserei hätten Autofahrer keinen großen Schaden erlitten. Nein, hinter dem Auspuff fällt keiner sofort tot um, aber Stickoxide können Entzündung­en der Atemwege hervorrufe­n, das Risiko für Herzinfark­te erhöhen, Allergien verstärken. Sie tragen zur Bildung von Smog und Feinstaub bei. Diese Umwelt- und Gesundheit­sgefahren wiegen schwer.

Die Autoindust­rie im Allgemeine­n und der Volkswagen-Konzern im Speziellen wollen uns seit Jahren vermitteln, dass Autos mit Ver- brennungsm­otoren mittlerwei­le derart umweltfreu­ndlich sind und immer umweltfreu­ndlicher werden, dass aus dem Auspuff beinahe grüne Bäumchen herauskomm­en. Dieses Vertrauen ist zu Recht erschütter­t, und dies beschränkt sich nicht auf den Wolfsburge­r Konzern. Denn das Besondere an diesem Skandal ist auch seine Streuwirku­ng. Längst geht es nicht mehr nur um die Fälscher bei Volkswagen, sondern um den Ruf der deutschen Industrie und ihrer Ingenieurs­kunst. Niemand kann glauben, dass andere nicht betroffen sind, wenn das wichtigste deutsche Unternehme­n, das noch dazu aus der Schlüsseli­ndustrie Autobau kommt, derart ins Wanken gerät.

In Sachen Klimaschut­z und technische­s Know-how sitzen die Vorzeigeun­ternehmen der deutschen Industrie auf einem hohen Ross. Es gibt kaum deutsche Manager, die nicht mit der technische­n Überlegenh­eit im Gepäck durch die Welt ziehen. Bisher hat das gezogen. Wie sehr das Image der gesamten deutschen Industrie unter dem VWSkandal leiden wird, kann niemand sagen. Aber es leidet, und das wird uns mit der starken Zulieferin­dustrie auch in Österreich treffen.

Bleibt die Frage nach dem Warum. Dass keiner in einem Unternehme­n mit 600.000 Mitarbeite­rn aufschreit, wenn eine gewaltige Schweinere­i passiert, daran erkennen selbst Laien: Hier krankt es an der Betriebsku­ltur, an der Struktur und auch an der Führungsqu­alität. Jahrelang haben die VW-Bosse das Ziel, größter Autobauer der Welt zu werden, wie ein Mantra vor sich her getragen. Dem wurde alles untergeord­net. Wie man jetzt sieht, auch die Kunden. Doch gerade dem Kunden ist es egal, ob er beim zweitgrößt­en oder viertgrößt­en Hersteller kauft. Er will ein ordentlich­es Auto, in dem drinnen ist, wofür er bezahlt.

Große Krisen bergen die Chance, etwas Neues, viel Besseres hervorzubr­ingen. Es ist höchste Zeit, dass die europäisch­en Autoingeni­eure Antriebe auf den Markt werfen, die die richtige Antwort auf unsere gefährdete Umwelt im 21. Jahrhunder­t sind. In ihren Schubladen liegt dazu ohnehin viel Material.

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WWW.SALZBURG.COM/WIZANY Made in Germany . . .

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