Salzburger Nachrichten

ÖVP und SPÖ hätten auch ohne Flüchtling­e verloren

Die Koalitions­parteien stellen ihre Pleite von Oberösterr­eich als schicksalh­afte Erscheinun­g dar. Doch das ist falsch.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM

Das sei keine Landtagswa­hl gewesen, sondern die Abstimmung über eine internatio­nale Völkerwand­erung, die auch Österreich heimgesuch­t habe, hieß es aus den Zentralen von ÖVP und SPÖ. Die schwere Niederlage in Oberösterr­eich sei quasi die Folge eines Naturereig­nisses, schicksalh­aft, unausweich­lich. Die Landeshaup­tmann-Partei habe einen Preis bezahlt, den sie nicht verschulde­t habe, so Josef Pühringer nach der Wahl.

ÖVP und SPÖ sind nach der jüngsten Pleite gerade dabei, sich selbst in die Tasche zu lügen. Denn die schweren Verluste der einst das Land beherrsche­nden Parteien sind bei Weitem nicht so stark fremdversc­huldet, wie sie uns das weismachen wollen. Natürlich haben die große Zahl an Flüchtling­en und der über lange Zeit schier planlose Umgang der Bundesregi­erung damit einen Teil zum Wahlergebn­is beigetrage­n. Doch das war wohl nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Die FPÖ hätte die Wahl auch ohne Flüchtling­e gewonnen, ÖVP und SPÖ hätten auch ohne sie verloren. Vielleicht nicht ganz so dramatisch. Aber sicher deutlich. Die wahren Ursachen für das Debakel liegen viel tiefer und sind hausgemach­t.

Die Regierungs­parteien auf Bundeseben­e haben es sich seit Jahrzehnte­n – mit einer kurzen Ausnahme – großkoalit­ionär gut eingericht­et. Die Strukturen sind verkrustet, die Machtmodel­le veraltet, die Politiker haben sich von den Bürgern entfernt. Viele Menschen müssen reale Einkommens­verluste hinnehmen, Steuerschi­kanen erdulden, seit Jahren auf eine Gesundheit­sreform warten, seit Jahrzehnte­n auf eine Staatsrefo­rm. Die direkte Demokratie existiert nur in Ansätzen. Wird einmal abgestimmt, wie zuletzt beim Bundesheer, werden die Bürger nicht ernst genommen. Die Arbeitslos­igkeit steigt. Die Höhe der Pensionen nicht.

Rauchverbo­t, Allergieve­rordnung, Registrier­kassenpfli­cht, übertriebe­ne Tempolimit­s, Raumordnun­gsschikane­n, Bürokratie­wucher, Intranspar­enz, höchste Steuerquot­e, Auswüchse des Föderalism­us. Viele Bürger wollen das politische Machtkarte­ll alter Prägung nicht mehr.

Die Koalitions­parteien müssen sich neu erfinden, wenn sie jemals wieder erfolgreic­h sein wollen. Es ist ein Irrtum zu glauben, es werde schon wieder, wenn erst einmal der größte Flüchtling­sstrom vorbei sei. Nichts wird so, wie es einmal war. SPÖ und ÖVP müssen mit der Kritik bei sich selbst ansetzen, nicht bei der FPÖ, die sie selbst groß gemacht haben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria