Wer fährt in Wien die Ernte ein?
Wien im Wahlfieber: Warum das Duell Häupl gegen Strache an Schärfe zunimmt. Und warum es für die kleineren Parteien jetzt extraschwer wird.
WIEN. Die Landtagswahl von Sonntag, bei der die politische Landkarte Oberösterreichs neu gezeichnet wurde, war nur ein Vorspiel zur Wiener Gemeinderatswahl vom 11. Oktober. Jüngste Umfragen sehen SPÖ und FPÖ Kopf an Kopf – und schon gehen die Berechnungen los: Wenn es der FPÖ Oberösterreich gelungen sei, den bisherigen 30Prozent-Abstand zur ÖVP mit einem Schlag auf nicht einmal mehr sechs Punkte zu verringern: Um wie vieles leichter müsse es dann der FPÖ Wien fallen, den knapp 20-Prozent-Abstand zur SPÖ zu überbrücken? Jüngste Umfragen wollen dies nicht ausschließen, wenngleich es naheliegt, dass diese für die Sozialdemokratie alarmierenden Umfragen von der SPÖ lanciert wurden, um ihre Anhänger und Sympathisanten aufzuwecken.
Jedenfalls hat die SPÖ nicht vor, aufgrund des Wahldebakels in Oberösterreich ihre Haltung in der Asylfrage zu ändern. „Nur die Ängste der Menschen zu schüren hat noch nie etwas gelöst“, sagte Parteichef Faymann in einer Reaktion auf den Wahlausgang. Es gehe darum, „Anstand und Charakter zu zeigen“. Die SPÖ trete dafür ein, „die Ord- nung zu sichern und dabei unsere Menschlichkeit zu bewahren“.
Und was heißt das für die WienWahl? Politikberater Thomas Hofer wittert „Rückenwind für Blau“– allein schon wegen des nach dem Wahlsieg in Oberösterreich „noch einmal verstärkten Siegerimages“. Aber: „Der zweite definitive Nutznießer ist, auf den ersten Blick paradoxerweise, Michael Häupl“, sagt der Politikexperte. Denn der rote Bürgermeister, der sich dezidiert für eine offene Flüchtlingspolitik einsetzt, könne jetzt „seine gewählte Positionierung als ,Anti-Strache‘ auf die Spitze treiben“, sagt Hofer.
Für die kleineren Mitbewerber sieht es laut Hofer nicht so gut aus. Da Häupl auch für Neos-, Grün- und linkskatholische ÖVP-Anhänger wählbar sei, werde er in diesen Parteien abräumen und seine erwartbaren Verluste dadurch möglicherweise in Grenzen halten können. So weit Politikberater Hofer.
Experte Peter Hajek von Public Opinion Strategies, der die Wahl für den Sender ATV analysiert hat, glaubt, dass das Duell Häupl gegen Strache „nochmals an Schärfe gewinnt“. Denn die FPÖ könne mit ihrem Sieg in Oberösterreich „den klassischen Bandwagon-Effekt“auslösen (Wähler folgen dem Sieger). Die SPÖ hingegen könne mit dem Verweis auf den FPÖ-Erfolg in Oberösterreich „schwankende SPÖPotenziale mobilisieren“, sagt der Experte, und er fügt hinzu: „Für die kleineren Parteien ist das natürlich ein Dilemma, weil die SPÖ neben Nichtwählern auch in deren Wählersegmenten wildert.“Die ÖVP kommt in den Gleichungen der Experten nur noch als Randnotiz vor, sie muss darum kämpfen, in Wien zweistellig zu bleiben. Die Oberösterreich-Daten des SORA-Instituts legen übrigens nahe, dass der ÖVP ihr kurz vor dem Wahltag vollzogener Schwenk zu einer strengeren Asylpolitik nichts genützt hat. Laut SORA rekrutierte die FPÖ ein Drittel ihrer Wähler aus ehemaligen ÖVP-Wählern. In absoluten Zahlen sind 84.000 ÖVP-Wähler zur FPÖ abgewandert, während die (allerdings weitaus kleinere) SPÖ nur 24.000 Wähler an die FPÖ verloren hat. Ein Drittel der FPÖ-Wähler habe sich erst in den letzten zwei Wochen für die Freiheitlichen entschieden – also zu einer Zeit, als die ÖVP bereits gegen „Asyl à la carte“und für „Asyl auf Zeit“warb. Die FPÖ ist in dieser Frage, scheint’s, glaubwürdiger. Bürgermeister Häupl betonte am Montag ein weiteres Mal, dass die Freiheitlichen für ihn nicht als Partner infrage kommen.