Als die Stadt der Liebe zur Metropole des Lasters wurde
Erstmals wird in Paris dem Thema Prostitution eine große Ausstellung gewidmet. Nicht alles ist dabei jugendfrei.
Sie stehen am Rande des Bois de Boulogne, in der Nähe der prächtigen Opéra Garnier oder im Vergnügungsviertel Pigalle. Dort standen die Prostituierten auch schon vor mehr als 100 Jahren. Édouard Manet, Pablo Picasso und Henri de Toulouse-Lautrec haben sie gemalt. Den Einfluss der Welt der Prostitution auf die Kunst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt nun das Pariser Orsay-Museum.
Vom Liebessessel bis hin zu pornografischen Filmen und Fotos reicht die Schau, die unter dem Titel „Glanz und Elend. Bilder der Prostitution, 1850–1910“über 250 Exponate zeigt. Denn Mitte des 19. Jahrhunderts galt Paris als neues Babylon. „Die Prostitution war in Paris allgegenwärtig, im Theater, in der Oper, auf der Straße“, sagt der Leiter des Orsay-Museums, Guy Cogeval. Das Bild vom Sündenpfuhl Paris beflügelte die Fantasie. In einer Pariser Manufaktur ließ sich der britische Thronfolger Edward VII. sogar einen Liebessessel anfertigen, der in seinem Pariser Stammbordell, dem Grand Chabanais, installiert wurde.
Paris – die Stadt der Liebe und des Lasters: Und so beginnt die Ausstellung mit Gemälden, auf denen Maler wie Giovanni Boldini oder Louis Valtat Frauen in Pariser Cafés, Restaurants und auf der Straße zeigen. Toulouse-Lautrec und Félicien Rops führen den Blick des Besuchers dann in die rote Velourstapeten-Stimmung der Pariser Bordelle. Auch die Oper wurde zur Bühne der Prostitution, wie Degas illustriert: wohlhabende Herren mit Gehstock und Zylinder, die nach der Ballettaufführung auf die jungen Mädchen im weißen Tutu warten.
Das Orsay-Museum präsentiert die Welt der Prostitution in all ihren Facetten. Prostituierte, die als Spezialistinnen für russische oder schwedische Massage in Cafés um Freier werben; Kurtisanen, die wie auf Manets Meisterwerk „Olympia“den Betrachter lasziv anblicken; Dirnen in schäbigen Puffs; Frauen und Männer, die sich lieben. Der Umgang mit dem Thema sei immer ungezwungener geworden, erläutert Co-Kuratorin Isolde Pludermacher. Nicht alles ist jugendfrei. Pornografische Fotografien und Filme werden in Vorhängen gezeigt.
Aber nicht nur das ist in der Werkschau zu sehen. Die grelle Welt der Prostitution hat zur Erneuerung der Kunst beigetragen. „Die stark geschminkten Frauen und die mit Spiegelwänden verzierten Bordelle haben die Farbpalette der Künstler beeinflusst und das Spiel mit dem Licht“, erläutert die Kunsthistorikerin weiter.
Man wolle den Blick auf die Kunst des 19. Jahrhunderts erneuern und die Ursprünge der Moderne unter einer anderen Facette illustrieren, ergänzt Guy Cogeval. Mit diesem Ziel fand bereits vor zwei Jahren die Ausstellung „Männlich/Männlich“statt, die in Frankreichs Fachpresse ein gespaltenes Echo fand. kleinen, mit abgetrennten dunklen Nischen