Flüchtlinge brauchen Arbeit. Haben wir die?
Niemand wagt eine Prognose. Klar scheint: Es gibt Jobs, die keiner will. Es gibt Mangelberufe. Aber es wird auch Verdrängung geben.
SALZBURG. Wie viele Flüchtlinge verträgt der Arbeitsmarkt? Die Antwort ist in Deutschland eindeutig: viele, sehr viele. Die Nachbarn wollen und brauchen neue Arbeitskräfte. Das sagt die deutsche Regierung auch ganz offen.
In Salzburg sind die Antworten auf die Frage, wie viele noch Platz haben auf dem heimischen Arbeitsmarkt, vielstimmiger. Sobald ein Asylverfahren positiv entschieden ist, dürfen Flüchtlinge auch arbeiten. Wie viele das sein werden, sei noch nicht abschätzbar, heißt es aus dem Ressort von Landeshauptmann und Wirtschaftsreferenten Wilfried Haslauer (ÖVP). Und wie viele noch von der heimischen Wirtschaft gebraucht werden, auch nicht. Entscheidend sei einerseits, wie sich die Konjunktur entwickle, andererseits, was die Flüchtlinge können: „Integration der Flüchtlinge kann in bestimmten Bereichen sehr dienlich sein, im nicht qualifizierten Bereich wird der Arbeitsmarkt in gewisser Weise wohl aber auch belastet werden.“
AK-Präsident und ÖGB-Chef Siegi Pichler ist skeptisch: „Ich wüsste nicht, wie wir bei unserer Arbeitslosenrate noch Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt aufnehmen sollten. Vielleicht mag es da oder dort den einen Facharbeiter geben, der gebraucht wird. Aber in großer Summe kann ich mir auch das nicht vorstellen. Wir haben zu wenig Arbeitsplätze und zu wenig Wohnungen.“Der Gewerkschafter fordert ein Konjunkturpro- gramm, den Bau von Wohnungen und Infrastruktur. „Darauf zu vertrauen, dass man mit Sparen und Zurückfahren die Asylanten unterbringen wird, ist ein Glaube ans Christkind“, richtet er der Regierung aus. Die Menschen machten sich Sorgen. Nur würden immer weniger diese äußern. „Man wird gleich ins rechte Eck gestellt, deshalb trauen sich viele Leute nicht.“
Die Arbeitslosigkeit in Salzburg ist auf einem Rekordhoch. Ende August waren 12.648 Menschen ohne Arbeit, um 3,2 Prozent mehr als zum selben Zeitpunkt des Vorjahres. Keine guten Nachrichten also. Und doch: AMS-Chef Siegfried Steinlechner sieht Licht am Horizont. „Wir haben in Salzburg die niedrigste Steigerungsrate in ganz Österreich. Und diese Steigerungsrate hat sich deutlich eingebremst.“Will heißen: Die Arbeitslosigkeit nimmt zwar noch zu, aber weniger stark als bisher.
Wie viele anerkannte Flüchtlinge Platz auf dem Salzburger Arbeitsmarkt fänden, hält Steinlechner für „unseriös zu prognostizieren“. Es sei ein Gebot der Menschlichkeit, an einer Lösung zu arbeiten. Es gebe auch in Salzburg Sparten mit Arbeitskräftemangel – etwa in technischen Berufen, in der Medizin und Pflege. Hier sei es entscheidend, ob es gelinge, die Kompetenzen von Flüchtlingen in diese Richtung zu entwickeln. Und auch im Tourismus seien Stellen zu besetzen.
AMS-Chef Steinlechner bestreitet nicht, dass es auch einen Verdrängungswettbewerb geben werde – vor allem im unteren Lohnbereich für Tätigkeiten mit geringerer Qualifikation. „Aber das erleben wir schon seit Jahren, zuletzt durch Arbeitskräfte aus Ungarn.“
Sepp Schellhorn, Hotelier und Neos-Abgeordneter, sagt: In Tourismus und Gastronomie bestehe während der Sommer- und Wintersaison „großer Bedarf“an Arbeitskräften. „Für niedrige Hilfsdienste haben wir kaum eine Chance, Österreicher zu finden“. Was auch mit der Mindestsicherung zu tun habe. Er bekomme immer wieder zu hören, dass jemand lieber von der Mindestsicherung um rund 800 Euro lebe, als für 1200 Euro arbeiten zu gehen. „Diese Thematik müssen wir auch einmal betrachten“, meint Schellhorn. „Ich will keine Kürzung der Mindestsicherung, aber wir müssen darüber reden, welche Arbeiten zumutbar sind.“