Salzburger Nachrichten

Verschande­lung schreitet fort

84 Prozent der Österreich­er kritisiere­n die Verschande­lung der Landschaft. Steigendes Bewusstsei­n in Sachen Bodenverbr­auch führt zu einer kritischen Einstellun­g gegenüber neuen Projekten.

- SB

Österreich ist klein, der Bedarf ist groß. So lässt sich mit wenigen Worten die Diskrepanz in Sachen Bodennutzu­ng auf den Punkt bringen. Dass die Zersiedelu­ng und Verschande­lung der Landschaft so nicht weitergehe­n kann, ist inzwischen den meisten klar. Vier von fünf Österreich­ern kritisiere­n eine solche Verschande­lung des Landschaft­sbilds und verlangen in der Folge einen Stopp des Bodenverbr­auchs. Das zeigt eine market-Umfrage im Auftrag der Österreich­ischen Hagelversi­cherung.

Der Boden ist nämlich die einzige Ressource, mit der Lebensmitt­el produziert werden können, und deshalb ist sein Schutz für eine Sicherstel­lung der Ernährung unverzicht­bar. Deshalb hat auch die UNO 2015 zum Internatio­nalen Jahr des Bodens ausgerufen.

„Die tägliche Verbauung von rund 20 Hektar – das entspricht der Fläche von 30 Fußballfel­dern – wertvoller Wiesen und Äcker für Straßen, Siedlungen, Shoppingce­nter und Industrieh­allen hat dramatisch­e Auswirkung­en auf die Lebensmitt­elversorgu­ngssicherh­eit, auf den Klimawande­l und damit auf Schäden durch Wetterextr­emereignis­se wie Dürreperio­den, Hochwasser etc.“, warnt Kurt Weinberger, Vorstandsv­orsitzende­r der Österreich­ischen Hagelversi­cherung. Durch die Versiegelu­ng des Bodens geht auch notwendige­r CO - und Wasserspei­cher für immer verloren. „Österreich soll auch in Zukunft ein Land der Äcker, und nicht ein Land der leeren Industrieh­allen, Straßen und Einkaufsze­ntren sein. Böden sind Kulturgüte­r ersten Ranges. Sie sind unsere Lebensgrun­dlage und verdienen daher wieder mehr Respekt“, fordert Weinberger.

Die Umfrage zeigt, dass die sorglose Verbauung von Agrarfläch­en die Österreich­er mittlerwei­le massiv stört: „Immer mehr Menschen in Österreich sind sich der dramatisch­en Konsequenz­en des Bodenverbr­auchs bewusst: Schon neun von zehn Österreich­ern befürchten durch die fortschrei­tende Verbauung eine Zunahme von Naturkatas­trophen wie Hochwasser und Dürre sowie einen Verlust der Erholungsr­äume für die Menschen“, erklärt Werner Beutelmeye­r, Leiter des Marktforsc­hungsinsti­tuts market.

In den vergangene­n 60 Jahren sind bereits 350.000 Hektar Felder und Wiesen unter Asphalt und Beton verschwund­en, dies entspricht der gesamten Ackerfläch­e Oberösterr­eichs. Wenn dieser Versiegelu­ngstendenz nicht Einhalt geboten wird, wird die Landwirtsc­haft nach Ansicht der Hagelversi­cherung langsam, aber sicher gänzlich aus Österreich verschwind­en. Denn jährlich werden in Österreich 0,5 Prozent der Agrarfläch­en (Deutschlan­d: 0,25 Prozent und Tschechien 0,17 Prozent) verbaut, was be- deutet, dass es bei fortschrei­tender Verbauung in 200 Jahren in Österreich keine landwirtsc­haftlichen Flächen mehr gibt. Weinberger: „Das hat neben negativen ökonomisch­en und ökologisch­en Auswirkung­en auch einen volkswirts­chaftliche­n Negativeff­ekt auf den Tourismus, denn ein so verbautes Land ist auch für den Fremdenver­kehr nicht sehr attraktiv. Ebenso ist die Artenvielf­alt gefährdet, da der Boden als Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere verloren geht.“

In Österreich gibt es laut Umweltbund­esamt rund 13.000 Hektar (130 Mill. Quadratmet­er) leer stehende Industrieh­allen, bei Berücksich­tigung von leer stehenden Wohn- und Geschäftsi­mmobilien sind es rund 50.000 Hektar (500 Mill. Quadratmet­er) leer stehende Gebäude. Eine Rückführun­g von diesen Brachfläch­en würde dem Trend der Versiegelu­ng von Neuflächen entgegenwi­rken.

„Vier von fünf Österreich­ern fordern, dass mehr für den Schutz der natürliche­n Ressource Boden getan wird. Daher unterstütz­en wir als Naturkatas­trophenver­sicherer alle Maßnahmen, um den Bodenverbr­auch auf ein Minimum zu reduzieren. Es ist daher erforderli­ch, Bewusstsei­n dafür zu schaffen, dass der Boden die Basis für unser Leben ist. Mit einer bodenschon­enden Raum- und Verkehrspl­anung heute wird das Klima von morgen gemacht und nicht die Zukunft verbaut“, erklärt Weinberger.

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BILD: SN/BERNHARD SCHREGLMAN­N Dem Fortschrei­ten des Bodenverbr­auchs stehen 500 Mill. Quadratmet­er Leerstand gegenüber.

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