Salzburger Nachrichten

Das österreich­ische Loch Ness

Die Regierung streitet über die Bildungsre­form. Das tut sie bereits seit mehr als 40 Jahren. Ein unhaltbare­r Zustand.

- Alfred Pfeiffenbe­rger

Was haben das Ungeheuer von Loch Ness und die Bildungsre­form in Österreich gemeinsam? Die Antwort ist einfach: Alle reden davon, aber niemand glaubt daran, dass es sie wirklich gibt.

Nur ist es ja so, dass das beim Ungeheuer von Loch Ness egal ist, ob es existiert, bei der Bildungsre­form ist es das aber sicher nicht. Denn der Wohlstand eines Landes und auch der persönlich­e Wohlstand hängen in wesentlich­en Teilen davon ab, wie gut die Menschen ausgebilde­t sind. Ohne gut ausgebilde­te Arbeitskrä­fte keine florierend­e Wirtschaft und, das sollte man auch nicht vergessen, ohne gebildete und aufgeklärt­e Menschen auch keine gut funktionie­rende Demokratie.

Seit Jahrzehnte­n verhandeln Sozialdemo­kraten und Christlich­soziale in diesem Land über eine Neuorganis­ation des Bildungssy­stems. Und so drängt seit den 1970er-Jahren die SPÖ auf eine gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen. Mit dieser Forderung konnte sie sich bisher nicht durchsetze­n. Die ÖVP will weiterhin das achtjährig­e Gymnasium behalten. Mehr als 40 Jahre dauert die Diskussion nun bereits an. Wobei nicht nur die Politik in dieser Frage gespalten ist, sondern auch die Bevölkerun­g.

Bei anderen Themen ist es genauso. Die Reform der Schulverwa­ltung ist ebenso ein ewiges Thema wie die Diskussion, ob Latein überhaupt noch verpflicht­end unterricht­et werden soll. Ob die Schule den ganzen Tag dauern soll, ist ebenso umstritten wie die Frage, wie lange die Lehrerinne­n und Lehrer in der Klasse stehen sollen. Österreich­s Schulsyste­m ist eine riesige Baustelle und wird es auch in Zukunft bleiben.

Weil viel grundlegen­dere Fragen nicht gelöst werden können, doktert die Politik am bestehende­n System herum. Und so gibt es eine Zentralmat­ura, bei der alle das gleiche Leistungsn­iveau haben sollen und durch die die Ergebnisse der Reifeprüfu­ng besser verglichen werden können. Gleichzeit­ig erhalten die Schulen mehr Autonomie, um Lehrinhalt­e selbst bestimmen zu können. Beides legitime Ansinnen, aber so richtig zusammenpa­ssen tut das natürlich nicht. Und die Umstellung der Hauptschul­en auf Neue Mittelschu­len hat, so die ersten Überprüfun­gen, für die Schüler auch nicht viel gebracht.

Wie es aussieht, wird die Bildungsre­form, die kommende Woche präsentier­t werden soll, an diesem Zustand nichts ändern. Die Politik wird in dieser Frage weiterwurs­teln. Ausbaden werden das die Kinder, denen viele Chancen vorenthalt­en werden.

ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SALZBURG.COM

Newspapers in German

Newspapers from Austria