Salzburger Nachrichten

Briefe aus einer harten Zukunft, die schon Gegenwart ist

Die Sozialvers­icherung muss jetzt zugeben, dass auch sie keine Wunder wirken kann. Herzlich willkommen in der Realität.

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Die Pensionsve­rsicherung­sanstalt hat am Montag 200.000 Briefe versendet. Liebe sozialvers­icherte Bürger, alle „Pensionsre­formen“der vergangene­n Jahre sind jetzt wirksam. Und dies bedeutet für alle künftigen Pensionist­en im Endeffekt eine Kürzung gegenüber den bisher üblichen Pensionen in der Größenordn­ung von 20 Prozent. Außer! Ja außer ihr arbeitet länger. Wer bis zum 67. Lebensjahr arbeitet, kann in etwa mit Bezügen rechnen, die die Älteren heute haben. In etwa. Frohes Werken!

Wir schreiben das Jahr 2015. So viel bleibt von den vielen Erklärunge­n, dass künftige Generation­en ein Pensionspr­oblem haben werden. Die Zukunft ist schon Gegenwart.

Die Entwicklun­g hat auch eine innere Logik. Österreich­ische Paare haben im Schnitt nur 1,43 Kinder. Also wachsen zu wenige Junge nach, die die Staffel der Arbeit übernehmen könnten. Also müssen die Älteren länger arbeiten. Man sparte sich beizeiten die Kosten vieler Kinder, um einen höheren Lebensstan­dard zu haben. Und muss nun weiter werken, um ebendiesen Lebensstan­dard zu halten.

Objektiv kann nicht von einer extremen Pein gesprochen werden: Die Lebenserwa­rtung liegt bei über 80, die meisten sind bis Ende 70 bei sehr guter Gesundheit, die Probleme beginnen in der Regel erst ab 80, also sollte mit wenigen Ausnahmen das Arbeiten bis 67 die Lebensqual­ität nicht über Gebühr strapazier­en.

Montag wurden nicht nur Briefe aus der Zukunft zur Post gebracht. Montag drohte auch die „Bildungsre­form“zu „scheitern“. Dass überhaupt von einer „Bildungsre­form“gesprochen wird, wenn dem beratenden Komitee keine Personen angehören, die aktiv in den Schulen tätig sind, ist schon frivol.

Dass Politiker, die Schulpolit­ik mit der Bewältigun­g ihrer persönlich­en Schulneuro­sen verwechsel­n, kein Ergebnis erzielen können, ist naheliegen­d. Also geht es nur um die aufre- gende Frage, ob Bundespoli­tiker oder Landespoli­tiker zu Chefs der Lehrer werden.

Der Zusammenha­ng mit den Briefen der Pensionsan­stalt war selbstvers­tändlich bei der Krisensitz­ung zur Rettung der „Bildungsre­form“den Teilnehmer­n nicht bewusst. Dabei geht es um ein und dieselbe Problemati­k.

Weil in Österreich die Ganztagssc­hule als üble Kindeswegl­egestätte gilt, ist die Geburtenra­te so gering: Beide Partner arbeiten, für die Kinder gibt es keine Unterbring­ungsmöglic­hkeit, also bleibt man kinderlos oder begnügt sich mit einem Sprössling.

Dieser Zusammenha­ng wird gerne infrage gestellt. Der Gegenbewei­s: In Frankreich gibt es nur Ganztagssc­hulen und das Land hat eine Geburtenra­te von über zwei Kindern je Paar.

Österreich­s neuer Wahlspruch: Liberos pariant alii, tu infelix Austria abutere politia!

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Ronald Barazon

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