Polizei schnappt serbische Schlepper
Eine 17-köpfige Bande soll von Februar bis September 1800 Flüchtlinge über die Balkanroute nach Wien transportiert und dafür mehr als eine halbe Million Euro kassiert haben. Elf Verdächtige sitzen in U-Haft, darunter eine 70-jährige Frau.
WIEN. Das Schleppen von Flüchtlingen ist ein blühendes Geschäft. Wie sehr, zeigt der jüngste Schlag der niederösterreichischen Polizei gegen eine serbische Schlepperbande. Mehr als eine halbe Million Euro sollen die 17 ausgeforschten Bandenmitglieder kassiert haben. Dafür, dass sie insgesamt 1800 Flüchtlinge zwischen Februar und September von der serbischen Hauptstadt Belgrad über Ungarn bis nach Wien geschleust haben sollen. Elf Verdächtige sitzen in der Justizanstalt Korneuburg in U-Haft. Darunter ist laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) auch der Kopf der Bande, der in Wien das Geschäft koordinierte hatte.
Die Innenministerin sprach am Donnerstag in Wien einerseits von einem „großen Erfolg“im Kampf gegen Schlepper, andererseits von der „Sisyphusarbeit“der Ermittler. „Schnappen wir eine Schlepperbande, bildet sich sofort die nächste“, erklärte der niederösterreichische Landespolizeidirektor, Franz Prucher. Denn das Geschäft mit den Flüchtlingen zahle sich aus. Es bringe mittlerweile mehr Geld ein als der Drogenschmuggel.
Entsprechend gut vernetzt war auch die serbische Schlepperbande, die nun dingfest gemacht wurde. „Bei den Schlepperfahrten fuhr ein Auto voraus“, erläuterte Prucher. Wenn keine Polizei in der Nähe war, machte sich das Fahrzeug mit den Flüchtlingen auf den Weg. In Kastenwagen und Minivans mit verdunkelten Scheiben wurden zehn bis 15 Personen geschleppt. Sie mussten pro Person etwa 250 bis 300 Euro für die Fahrt von Belgrad über die Balkanroute über Ungarn nach Wien bezahlen. Sechs Fahrzeuge wurden sichergestellt. In Wien hatte die Gruppe drei Wohnungen angemietet, in denen sich die Schlepper vor der nächsten Flüchtlingsfuhre ausrasten konnten. Eine der Wohnungen ist auf eine 70-jährige Serbin gemeldet – der Mutter eines der Schlepper. Sie ist die einzige Frau der Bande.
Bei Hausdurchsuchungen wurden knapp 50.000 Euro sichergestellt. Prucher ging davon aus, dass die Täter eine Gesamtsumme von 500.000 bis 550.000 Euro als Schlepperlohn eingenommen haben. Geschleppt wurden vor allem Syrer und Afghanen, darunter auch Kinder.
Noch auf freiem Fuß sei der oberste Bandenboss und fünf weitere Verdächtige, die sich alle in Belgrad aufhalten sollen. Landespolizeidirektor Prucher rechnet aber damit, sie ebenso bald zu fassen.
Bei zwei Syrern – 24 und 25 Jahre alt – und einem 38-jährigen Iraker, die mindestens 250 Flüchtlinge durch Österreich transportiert haben sollen, war das der Polizei schon vor Monaten gelungen. Sie wurden am Donnerstag im Wiener Straflandesgericht zu Freiheitsstrafen zwischen 15 Monaten und zwei Jahren verurteilt. Allerdings sollen sie nur „das kleinste Rädchen“in ihrer Schlepperorganisation gewesen sein, wie ihr Verteidiger betonte.
Innenministerin Mikl-Leitner forderte am Donnerstag einmal mehr legale Wege „aus den Krisengebieten in Richtung Europa“. Denn nur diese könnten Schleppern die Geschäftsgrundlage entziehen.
Insgesamt hat sich die Zahl der Anklagen wegen Schlepperei mit Stichtag 1. November gegenüber dem Vorjahr von 296 auf 590 fast verdoppelt.