Das ist keine Zeit für Schönwetter-Politiker Es ist keine Schande, die Lage neu zu bewerten
Die Menschen haben Angst. Die Regierung schafft es nicht, sie ihnen zu nehmen. Es ist Zeit für einen Personalwechsel.
Der Umgang mit der Flüchtlingskrise belegt, wie katastrophal es um die politische Lösungskompetenz in Österreich bestellt ist. Die herkömmlichen, über die Jahrzehnte mitgeschleppten Entscheidungsund Durchsetzungsmechanismen funktionieren nicht mehr. Das ist keine Zeit mehr für sozialpartnerschaftlich geprägte SchönwetterPolitiker, die sich in nächtelangen Sitzungen darum raufen, wie sie das Guthaben der Gesellschaft am besten verteilen. Es gibt nichts mehr zu verteilen.
Der Großteil unseres politischen Personals ist in einem Klientel-Versorgungsdenken sozialisiert worden. So sieht seine Arbeit auch aus. Viele haben das große Ganze aus den Augen verloren. Dieses System kann nur halbwegs funktionieren, solange es uns allen gut geht. Es ist aber keine taugliche Basis für die Bewältigung von Krisen.
Schönwetter-Politiker neigen dazu, nahende Katastrophen zu bagatellisieren und zu verdrängen. „Es wird schon nicht so schlimm.“Damit nehmen sie den Menschen nicht die Angst vor zu vielen Flüchtlingen, vor steigender Arbeitslosigkeit und unsicheren Pensionen. Im Gegenteil: Die Beschwichtiger verstärken diese Angst.
Die Bürger spüren, dass vieles nicht stimmt im Land. Sie verlieren das Vertrauen in den Staat und dessen Repräsentanten. Und sie trauen diesen nicht mehr zu, die Probleme zu lösen.
Wie kommen wir da wieder raus? Erstens: durch einen Personalwechsel. Wir brauchen keine Neuwahlen, sondern entscheidungsstarke, von ihren Parteien möglichst unabhängige und dafür stärker denn je den Bürgern verpflichtete Menschen an der Spitze. Nicht die Hofräte Rücksichtl und Schönsichtl, sondern krisentaugliche Manager.
Zweitens: durch Transparenz. Die Lagebeschreibung muss ehrlich und für alle zugänglich sein. Die Wahrheit muss auf den Tisch, die Analyse darf nicht geschönt sein.
Drittens: durch eine gemeinsame Strategie. Jetzt will die Linke etwas anderes als die Rechte, sowohl in Österreich als auch in Europa. Das geht so nicht.
Viertens: durch das Definieren von Zielen. Dazu gehört endlich die Festlegung einer Höchstzahl an Asylbewerbern. Wenn die erreicht ist – und sie ist wohl schon erreicht –, muss Schluss sein. 95.000 Asylbewerber in einem Jahr im kleinen Österreich sind eine riesige Herausforderung für alle. Die Menschen können sich an dieser Zahl festhalten. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie hält.
Fünftens: durch das Umsetzen der Strategie. Dazu gehört auch, dass der Staat endlich seine Pflicht erfüllt und das geltende Recht umsetzt. Es kann nicht sein, dass die Bürger, die es gewöhnt sind, gesetzestreu zu leben und beim geringsten Verstoß bestraft zu werden, zusehen müssen, wie andere illegal und ungestraft die Grenzen überrennen und in unser Land kommen. Zu einem Staat gehören ein Staatsgebiet und ein Staatsvolk. Beide werden mithilfe der Staatsgewalt geschützt. Die jetzige Führungsriege schafft das nicht mehr lückenlos.
„Die Situation ist außer Kontrolle“, sagte Sebastian Kurz bei einer Veranstaltung der „Salzburger Nachrichten“. Der junge Außenminister redet nicht wie seine Regierungskollegen um den heißen Brei herum. Er nennt die Dinge beim Namen. Und die Menschen mögen ihn für diese Geradlinigkeit. Vor ein paar Monaten, als die Hilfsbereitschaft am größten und die Ahnung, was da auf uns zukommt, am kleinsten war, da hätten viele Kurz für seine Offenheit ins rechte Ecke gestellt. Heute wissen wir, dass er zu einem großen Teil recht hat.
Es ist keine Schande, angesichts der dramatischen Entwicklung die Lage neu zu bewerten. Dazu gehört die Fähigkeit zur Selbstkritik ebenso wie die Bereitschaft, aus Fehleinschätzungen zu lernen und über den eigenen Schatten zu springen. Wer heute sagt, ich tue alles, um wirklichen Flüchtlingen zu helfen, ich habe aber die Folgen deren massenhafter Aufnahme falsch eingeschätzt und trete nun für eine Begrenzung ihrer Zahl ein, der ist kein Umfaller, der ist kein Rechter, der ist nur ehrlich.
Das Unbedingt-recht-behaltenWollen und die mangelnde Selbstreflexion zählen zu den großen Schwächen der Menschen, vor allem jener in der Politik.
Neues Personal sollte auch nach diesen Kriterien ausgesucht werden.
MANFRED.PERTERER@SALZBURG.COM