Kurzer Zaun soll Flüchtlinge lenken
Koalition einigt sich nur auf „Grenzsicherung light“– allerdings mit Ausbaupotenzial.
Der Koalitionsstreit um die Grenzsicherung im Raum Spielfeld ist ausgestanden – vorerst. Der Kompromiss wurde häppchenweise präsentiert. Zwei Tage nach der Vorstellung des neuen „Grenzmanagements“hatte man sich auch auf die zugehörigen „Seitenteile“(© Faymann), geeinigt. Ein Regierungsquartett präsentierte am Freitag die (Not-)Lösung: Eine 3,7 Kilometer lange Maschendrahtabsperrung rund um den Grenzübergang und Vorbereitungen, die es ermöglichen sollen, bei gehäuften Übertritten über die grüne Grenze auf 25 Kilometern innerhalb von 48 Stunden einen weiteren Zaun zu errichten.
Das Bemühen, koalitionäre Einigkeit an den Tag zu legen, stieß bei der Präsentation des Kompromisses an seine – ungesicherten – Grenzen. Gerald Klug (SPÖ) sah überhaupt keinen Zaun („Das ist ein geordnetes Leitsystem“) und Harald Mahrer (ÖVP) keine Notwendigkeit, nicht ein wenig zu sticheln: „Es wird dort einen Zaun geben, da braucht man nicht herumzueiern.“
Innenministerin Johanna MiklLeitner (ÖVP), die einen längeren Zaun angestrebt hatte, begründete das Einlenken mit einem Wunsch Sloweniens. Die Slowenen würden dafür einen eingezäunten Sicherheitskorridor auf ihrer Seite einrichten und verstärkte Kontrollen entlang der grünen Grenze durchführen. Auch auf österreichischer Seite werden Polizei und Bundesheer verstärkt patrouillieren.
Laut Mikl-Leitner ist die Zaunlösung schengenkonform. Sollte sich der Flüchtlingsstrom von Spielfeld verlagern, wird das Modell auf andere Grenzübergänge angepasst.
Bei den Bürgermeistern in der Region löst der „Zaun light“unterschiedliche Reaktionen aus. Reinhold Höflechner, ÖVP-Bürgermeister der Gemeinde Straß-Spielfeld, sprach von einer „absolut richtigen Lösung. Die geplante Länge des Zauns reiche aus, um „kleinräumige Umgehungen zu verhindern“. Für Toni Vukan, SPÖ-Bürgermeister von Mureck ist eine sichtbare Präsenz von Bundesheer und Polizei an der Grenze wichtiger als ein Zaun.
Die Verschnaufpause für die Einsatzkräfte in Spielfeld ist jedenfalls zu Ende. Nach dem Ende des Fährarbeiterstreiks in Griechenland sind die Flüchtlingszahlen an der slowenisch-steirischen Grenze wieder angestiegen. Mehr als 3000 Schutzsuchende befanden sich am Freitag im slowenischen Sentilj, den ganzen Tag über kamen vor allem syrische und irakische Flüchtlinge nach Österreich und wurden in Notquartiere gebracht. In Spielfeld ist man für einen Zustrom von bis zu 8000 Flüchtlingen pro Tag gerüstet. In den vergangenen Tagen wurde der Wartebereich winterfest gemacht. „Derzeit könnten rund 4000 Menschen die Nacht in beheizten Zelten verbringen“, erklärte Polizeisprecher Leo Josefus. Auch das Rote Kreuz hat aufgerüstet und verfügt nun über eine improvisierte Kinderstation. Für die kommenden Tage ist noch die Errichtung eines Großzelts im Wartebereich vor dem Grenzübergang geplant.
Ein Blick auf den Balkan zeigt, dass die Verstärkung der Betreuungsinfrastruktur an der Grenze dringend nötig ist. „Die Flüchtlingszahlen steigen weiter “, erklärt Melita Sunjic. Sie ist Sprecherin für das UNO-Flüchtlingshochkommisariat (UNHCR) auf dem Balkan. Rund 660.000 Menschen erreichten heuer Europa über Griechenland, 142.000 über Italien. 52 Prozent der Flüchtlinge kommen aus Syrien, 19 Prozent aus Afghanistan, sechs Prozent aus dem Irak, der Rest aus anderen Krisenregionen. Im Unterschied zum Beginn der Flüchtlingskrise kommen immer mehr Kinder und Familien. „Im September waren 27 Prozent der Flüchtlinge, die über die Balkanroute kamen, Kinder. Jetzt sind es 40 Prozent.“
Der UNHCR-Einsatz sei durch fehlende Mittel begrenzt. „Wir bräuchten 2,5 Milliarden Dollar pro Jahr, um die vier Millionen geflohenen Syrer in arabischen Nachbarländern zu versorgen.“Davon stelle die Staatengemeinschaft nur 40 Prozent zur Verfügung.
Dass heuer bereits 806.000 Flüchtlinge nach Europa gekommen sind, schreckt Sunjic nicht. Im Nahen Osten gebe es einzelne Flüchtlingslager mit Hunderttausenden Menschen.