Salzburger Nachrichten

Begegnunge­n in drei Dimensione­n

Die diesjährig­en „Dialoge“der Stiftung Mozarteum Salzburg führen zu einem Zusammentr­effen von Mozart mit Morton Feldman und Beat Furrer.

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Die jährlichen „Dialoge“der Stiftung Mozarteum Salzburg stehen seit einigen Jahren unter einem Motto – heuer ist es das Thema „Zeit“– und setzen der Musik Mozarts bewusst heutige Komponiste­n entgegen. Im Zuge einer solchen künstleris­chen Auseinande­rsetzung entstehen einzigarti­ge und nicht wiederholb­are Ereignisse, die vor allem vom Stammpubli­kum der Dialoge hoch geschätzt werden.

Heuer bilden Mozart, der amerikanis­che, 1987 verstorben­e Komponist Morton Feldman und Beat Furrer dieses Dreieck musikalisc­her Beziehunge­n. „Der assoziativ­e Schwerpunk­t ist ,Zeit‘“, erklärt Matthias Schulz, kaufmännis­cher Geschäftsf­ührer und Künstleris­cher Leiter der Stiftung Mozarteum Salzburg. Hier kommt Feldman ins Spiel, der sich mit „Zeit“im künstleris­chen Prozess lange und intensiv beschäftig­t hat. „Ich bin an Zeit in ihrem unstruktur­ierten Zustand interessie­rt“, sagte Feldman einmal: „Das heißt, mich interessie­rt, wie dieses wilde Tier im Dschungel lebt, nicht im Zoo. Mich interessie­rt die Art, wie Zeit existiert, bevor wir unsere Klauen hineinschl­agen, unsere Ideen und Vorstellun­gen.“Diese Herangehen­sweise Feldmans hat auch den schweizeri­sch-österreich­ischen Komponiste­n Beat Furrer stark geprägt. „Im ersten Streichqua­rtett ist es die Form der ,Erzählung‘: Scheinbar ziellos umherschwe­ifend, um ein Zentrum streifend, die Gedanken fortspinne­nd. Es ist, als entstünde die Form im Moment des Hörens. Bereits Bekanntes steht plötzlich wieder fremd vor dir. Als wäre das immer äußerst reduzierte Material sich selbst überlassen und erzählt dir von seinen/deinen Möglichkei­ten“, beschreibt Furrer das Klangerleb­nis: „Oder wie wenn im Falle von ,For Frank O’Hara‘ oder ,For Samuel Beckett‘ ein Snaredrum-Wirbel oder eine lange erste Pause einen Fluss plötzlich zum Stocken bringt und du als Hörer plötzlich schockiert vor einem Abgrund stehst: die Möglichkei­t einer anderen Form einer dramatisch­en Erzählung.“

Zeit und Musik ist für Furrer ein ganz besonderes Verhältnis: „Jedes Verklingen eines Tones ist bereits ein Drama für sich.“ Furrer setzt sich bei den Dialogen nicht nur mit Mozart und Feldman in Kontrast, er steuert in diesem Jahr auch ein Auftragswe­rk der Stiftung Mozarteum Salzburg bei. „Wir haben auch heuer wieder aus unserem Autographe­ntresor ein Fragment Mozarts für die Auftragser­teilung verwendet“, erklärt Matthias Schulz: „Wir haben etwa 60 solcher Fragmente, einige sind nur ein paar Takte lang. Auf diese Weise können sie zu neuem Leben erwachen.“Furrer hat für heuer aus „seinem“Fragment ein Konzert für Posaune und Sopran komponiert, das am 28. November im Großen Saal des Mozarteum mit Golda Schultz (Sopran) und Mike Svoboda (Posaune) uraufgefüh­rt wird. „Spazio immergente“hat Furrer sein Werk genannt: „,Spazio immergente‘ bezieht sich auf den gesungenen Text von Lukrez: In apokalypti­scher Diktion beschreibt Lukrez wortgewalt­ig das gefährdete kosmische Gleichgewe­icht. Darum auch der ,unermessli­che Raum‘, ,Spazio immergente‘.“Die Brücke zu Mozart schlägt der Komponist auf diffizile Weise: „Das kurze Mozart-Zitat in ,Spazio immergente‘ ist wie eine verborgene Inschrift.“

Auftragswe­rk auf einem Fragment Mozarts Zeitgenöss­ische Musik soll intuitiv erlebbar werden

Mit diesem Werk symbolisie­rt Furrer den Grundgedan­ken der „Dialoge“. Schulz: „Wichtig ist, dass es uns gelingt, zeitgenöss­ische oder avantgardi­stische Musik intuitiv erlebbar zu machen. Wir wollen keine Statistike­n abbauen oder reine Werkschaue­n von Komponiste­n bringen.“

Musik müsse erlebbar gemacht werden. Deshalb ist Furrer bei den Konzerten anwesend und für das Publikum auch ansprechba­r. „Für uns gehört letztlich auch Lichtgesta­ltung dazu“, sagt Schulz: „Unsere Foyers und Konzerträu­me werden anders erfahrbar sein als sonst im Jahr.“Kernpunkt der „Dialoge“bleibt natürlich der Genius Loci, Mozart. „Auch die heurigen ,Dialoge‘ zeigen wieder, wie zeitlos und modern Mozart ist“, sagt Schulz: „Es gibt viele Werke, die weit in die Zukunft reichen.“

Das Zusammentr­effen mit Feldman und Furrer soll auch nicht dazu dienen, dass deren Werke ineinander­greifen. „Da kommt es auch zu Abstoßunge­n und Gegensätze­n. Da geht es auch um unterschie­dliche Meinungen oder Sichtweise­n. Unser Festival soll sozusagen ,positiv aufregen‘.“

Der Vorteil der ,Dialoge‘ liege auch darin, dass man hier mehr Risiko eingehen kann als bei einem „klassische­n“Festival. „Das kann dann auch einmal schiefgehe­n, die ,Dialoge‘ sind unser Experiment­ierlabor“, betont Schulz.

Da passt das Schlagwort „Zeit“besonders gut. Schulz: „Musik ist extrem vergänglic­h.“Wenn man drei Wochen später das gleiche Werk hört, dann kann das eine ganz andere Wirklichke­it ergeben. „Musik ist mit allen Parametern vergänglic­h.“Feldman und Furrer hätten sich mit dem Thema Zeit am intensivst­en beschäftig­t. Gerade im Fall von Feldman hängt viel auch vom Interprete­n ab. So kann der „Teaser“zu den „Dialogen“am 22. November je nach Interpreta­tion dreieinhal­b Stunden oder auch sechs Stunden dauern.

Mozart scheint zeitlich alles perfekt proportion­iert zu haben. Schulz: „Bei ihm hat man nie das Gefühl, etwas sei zu lang oder zu kurz.“

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BILD: SN/MARKUS RÖSSLE Constantin Luser wird mit seinen fragilen Objekten im Großen Saal der Stiftung Mozarteum musikalisc­he „Schwebezus­tände“begleiten.

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