Acht Babyleichen entdeckt
Ein Notarzt und die Polizei machen in einem Haus in Bayern einen grausigen Fund. Nach einer 45-jährigen Frau wird gefahndet. Sie soll die Mutter der Babys sein.
Die Vorhänge und Rollläden sind geschlossen. Aber im obersten Stockwerk an den Fenstern hängen Kinderbilder – selbst gebastelt. Doch was ein Notarzt und die Polizei hinter der Fassade des schmucklosen, aber gepflegten Hauses in der oberfränkischen Kleinstadt Wallenfels entdeckt haben, lässt den Atem stocken: Mindestens acht Babyleichen lagen in dem Haus – in Handtücher und Plastiksäcke gewickelt. Rechtsmedizinische Untersuchungen müssen zeigen, ob es möglicherweise noch mehr tote Körper sein könnten, heißt es bei der Polizei. Frühestens Anfang nächster Woche sollen Ergebnisse dazu vorliegen.
Es ist ein kühler, nebliger Herbstmorgen im 2800-Seelen-Ort mitten im Frankenwald. Dass Polizei und Rechtsmediziner in der Nacht zuvor einen Großeinsatz hatten, fällt auf den ersten Blick gar nicht auf. Nur ein Kleinbus der Polizei parkt an der Hauptstraße. Und nach und nach rücken Reporter und Kamerateams an. Auch die Anwohner wissen zunächst wenig. Die Familie, die in dem Haus gelebt habe, sei nett und anständig gewesen, meint eine ältere Frau, die zwei Häuser weiter lebt. „Wir sind so geschockt“, sagt sie.
Noch weiß niemand genau, was in dem Haus mitten in Wallenfels geschah. Die Polizei sucht nach einer 45-jährigen Frau, die bis vor Kurzem dort lebte – laut Medienberichten mit ihrem Mann und mehreren Kindern. Die Polizei wollte sich dazu nicht äußern. Bei der Gesuchten soll es sich um die Mutter der Babys handeln.
Die Wallenfelser halten sich jedoch bedeckt. „Mir fehlen die Worte“, sagt ein Mann, der am Haus vorbeiläuft. Mittlerweile wurde die Ermittlungsgruppe Schlossberg gegründet. „Es sind noch sehr viele Personen zu befragen und es erfolgen auch weitere Durchsuchungsmaßnahmen“, betonte die Polizeisprecherin. Dabei soll vor allem das Anwesen selbst noch genauer unter die Lupe genommen werden. „Unter Umständen kommen auch noch andere Objekte dazu“, sagte sie.
Die sterblichen Überreste von sieben Säuglingen waren Donnerstagnachmittag bei einem Notarzteinsatz gefunden worden. Der Mediziner war nach Polizeiangaben explizit wegen der Babyleichen gerufen worden. Eine Anwohnerin hatte ihn demnach alarmiert. Am Freitag wurde die achte Leiche entdeckt.
Bürgermeister Jens Korn (CSU) ringt um Fassung. Eine heile Welt habe man doch eigentlich im Ort, meint er: „Solche Themen kannten wir nur aus dem Fernseher.“In Wallenfels sei die Ortsgemeinschaft intakt. Viele Bürger beschäftige deshalb die Frage, ob man diese Tragödie hätte verhindern können – etwa mit Hilfsangeboten. „Es herrscht Trauer in unserer Stadt um die Kinder, die nicht leben durften.“
Im Jahr 2005 löste der Fund von neun Babyleichen im brandenburgischen Brieskow-Finkenheerd Entsetzen aus. Die Überreste der Neugeborenen waren durch Zufall bei Aufräumarbeiten auf dem elterlichen Grundstück der Kindsmutter nahe der polnischen Grenze entdeckt worden. Die Zahnarzthelferin wurde zu 15 Jahren Haft wegen Totschlags verurteilt. Die Frau hatte nach Überzeugung der Richter zwischen 1992 und 1998 ihre acht lebend geborenen Säuglinge unversorgt sterben lassen. Ein Fall war verjährt. Die toten Kinder hatte sie in Blumenkübeln und anderen Gefäßen verscharrt. Ihr Motiv: Angst um die Ehe. Die Frau, die noch vier lebende Kinder hat, wurde im September dieses Jahres nach Verbüßung von zwei Dritteln der Strafe aus der Haft entlassen.
„Es herrscht Trauer in unserer Stadt um die Kinder, die nicht leben durften.“