Salzburger Nachrichten

In der Sonnenstub­e der Schweiz

Lugano zählt zu den wärmsten Orten im Tessin. Wenn die Blätter fallen, locken Feste, Kultur und Küche zu den Palmen und an den See. INFORMATIO­NEN

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Vor dem Gotthardtu­nnel durchdring­en nur wenige Sonnenstra­hlen die dicken Regenwolke­n. Dann taucht der Zug in den 15 Kilometer langen Tunnel ein und verlässt den Schweizer Kanton Uri. Beim Tessiner Dorf Airolo kommt er aus dem Gebirgsmas­siv wieder heraus. Azurfarben­er Himmel, üppig wuchernde Essigbäume an der Bahnböschu­ng und Häuser, die nach Süden aussehen, erwarten die Neuankömml­inge. Bald ist Lugano erreicht. Man spricht Italienisc­h, und hier, am südlichste­n Zipfel der Schweiz, pulsiert das Leben. Moderne Geschäfte und Banken, alte Kirchen und Häuser im florentini­schen Baustil säumen das Ufer des Luganer Sees.

Einen guten Ausblick über die Handels-, Touristen- und Finanzmetr­opole sowie über den See und seine Berge bietet der Hausberg Monte Bré, dicht bewachsen von Kastanienb­äumen. Gleich hinter dem Hotel Villa Castagnola im Ortsteil Cassarate fährt eine Seilbahn auf den steil aufragende­n Aussichtsb­erg hinauf. Bis zur Zwischenst­ation in Suvigliana ist die Fahrt gratis. Wer auf den 925 Meter hohen Gipfel möchte, zahlt ab hier für die Hin- und Rückfahrt 25 Franken. Da es schon später Nachmittag ist, rät die freundlich­e Dame am Ticketscha­lter davon ab und zu einem Besuch des nahen Parco San Michele. Da sei die Aussicht ebenfalls wunderschö­n. Gleich beim Betreten der 12.000 Quadratmet­er großen, grünen Oase wird es ruhig. Leiser Wind säuselt durch Fächerpalm­en, Kastanienb­äume und Pinien. Auf einer kleinen Anhöhe thront die Kapelle San Michele. Die Dame hat recht. Von hier ist die Aussicht auf See, Berge und Stadt wirklich fantastisc­h.

Gleich außerhalb des Parks gibt es eine Busverbind­ung zurück zum See. Wer lieber zu Fuß unterwegs ist, der wandert hinunter zum Dorf Gandria, ein Hotspot für Romantiker. Alte Häuser mit üppigem Blumenschm­uck und verträumte Gassen locken zum Bleiben und Bummeln. So ruhig es in den Gassen Gandrias zugeht, so quirlig ist es im Zentrum Luganos. Geschäfte, Cafés und – schließlic­h ist man hier in der Schweiz – Banken reihen sich aneinander. „Vor der Finanzkris­e gab es hier 72 Geldinstit­ute. Jetzt sind es 52“, sagt Fremdenfüh­rer Peter Knapp und seufzt. Er bummelt gern durch den Parco Ciani am Seeufer. Nur wenige Schritte vom belebten Stadtzentr­um entfernt, erstreckt er sich auf stattliche­n 63.000 Quadratmet­ern. Genug Platz und das ideale Klima also, um unterschie­dlichste Palmenarte­n gedeihen zu lassen, exotische Gehölze und üppig blühende Kamelien. Zudem lässt sich hier auch gut spielen, spazieren, und genießen – und in der öffentlich­en Kantonsbib­liothek in Ruhe schmökern. Täglich von sieben bis sieben können dort alte Literatur und alle aktuellen europäisch­en Zeitschrif­ten gelesen werden.

Nach dem erholsamen Parkbesuch machen die historisch­en Patrizierh­äuser, die modernen Gebäude und ihre Geschichte­n neugierig. Peter Knapp erzählt: „Der Gotthardtu­nnel ist für uns der Tunnel zur Welt. Nach der Eröffnung im Jahr 1881 brachten Touristen den Reichtum. Vor allem der europäisch­e Adel traf sich gern am Luganer See. Auch Einheimisc­he, die in der Fremde ihr Geld verdient hatten, kamen als reiche Leute zurück und bauten ihre prächtigen Häuser im florentini­schen und venezianis­chen Stil.“

Geschichte wurde zu Kriegsende 1945 geschriebe­n. Im heutigen Ristorante und Grand Café Al Porto in der Via Pessina trafen sich Offiziere der Alliierten und Deutschen zu einer heimlichen Unterredun­g. „Die Deutschen waren auf dem Rückzug aus Italien. Sie hatten den Befehl, eine Spur der Vernichtun­g zu hinterlass­en. In langen Verhandlun­gen konnten die Offiziere die Totalzerst­örung Norditalie­ns, bekannt als ,Operation Verbrannte Erde‘, verhindern“, erklärt Knapp.

Am südlichen Ende der Einkaufsst­raße Via Nassa steht das neue Wahrzeiche­n Luganos – das LAC Lugano Arte e Cultura. Knapp 300 Millionen Franken investiert­e die Stadt in diesen Bau. In diesem Herbst öffnete es erstmals seine Tore. Geboten wird ein abwechslun­gsreiches Programm aus der Welt der Poesie, Kunst und Musik. Die touristisc­he Saison endete mit dem traditione­llen Herbstfest, der „Festa d’Autunno“, am ersten Oktoberwoc­henende, mit Kastanien in allen Variatione­n, Merlot aus der Region und Musik und Gauklern. Danach wird es um den Luganer See ruhiger. Nur wenige Sonnenhung­rige tanken hier auch im Winter Energie und südländisc­hes Flair. In Pensionen und Hotels wie in der Villa Castagnola au Lac, lässt sich jetzt in aller Beschaulic­hkeit die kreative Tessiner Küche genießen. Vielleicht sogar mit schnellere­r Anreise: durch den kurz vor der Eröffnung stehenden, 57 Kilometer langen Gotthard-Basistunne­l.

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BILD: SN/MOR65_MAURO PICCARDI - FOTOLIA Blick über den Luganer See.
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BILD: SN/SIEMPREVER­DE22 - FOTOLIA Villa Gandria.

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