Salzburger Nachrichten

„Wir kommen ohne eigenes Auto aus“

Familie Siegl/Falkner ist 2008 nach Seekirchen gezogen. 2009 hat sie ihr Auto verkauft – und seither an Lebensqual­ität gewonnen.

- Familie ohne eigenes Auto

SEEKIRCHEN. „Zurück zur Natur“liegt im Trend. Während der Umstieg auf Bioessen und Stoffsacke­rl beim Einkaufen immer schicker wird, hört sich der Ökotrend bei der Mobilität auf. Denn die Zahl der Autos pro Kopf und der Hang zu leistungss­tärkeren SUV sind im Steigen.

Dass es anders geht, beweisen Eberhard Siegl, seine Frau Alexandra Falkner (beide 45) und ihre Söhne Anatol (22) und Felix (13). Nach Jahren in der Stadt zogen sie 2008 ins eigene Häuschen nach Seekirchen. 2009 fasste der Familienra­t einen Beschluss: Das durch den Hausbau mitgenomme­ne Auto wurde verkauft, „weil es wegen der vielen Reparature­n genervt hat“, erzählt Falkner.

Ihr Mann machte dann den Vorschlag, es 14 Tage ohne Auto zu probieren. Bald wurde der Versuch auf drei Monate und dann auf ein Jahr ausgedehnt. Falkner: „Zwei Monate vor Ablauf habe ich gesagt, dass ich keine Lust mehr habe, ein Auto zu kaufen.“

Nachteile dieser Entscheidu­ng hat die selbststän­dige Kommunikat­ionstraine­rin seither nur wenige in Erinnerung: „Zu viert von Seekirchen aus nur mittels Öffis Ski fahren zu gehen, ist schon anstrengen­der geworden.“Eberhard Siegl, Leiter des Männerbüro­s der Erzdiözese und Supervisor, berichtet von einem Kinder- arztbesuch in der Stadt als größte Herausford­erung. Die Lösung: „Dafür habe ich mir das Auto meines Nachbarn ausgeborgt.“

Beide Elternteil­e betonen hingegen höhere Lebensqual­ität, die sie ohne eigenes Auto hätten: „Wir haben Zeit und Ruhe gewonnen. Denn wir fahren jetzt gemeinsam mit dem Rad einkaufen“, sagt Falkner. So sei das Ganze ein Familiener­lebnis und die Parkplatzs­uche kein Problem. Durch die andere Art von Mobilität habe sich auch das Einkaufsve­rhalten verändert, sagt Siegl: „Wir kaufen mehr beim Biobauernm­arkt im Ort ein. So produziere­n wir auch weniger Müll.“

Ganz ohne Autos kommt aber auch Familie Siegl/Falkner nicht aus. Daher sind sie Gründungsm­itglied im Seekirchne­r Carsharing-Verein. Falkner nutzt das Leihauto, um zwei Mal pro Monat zu einem entlegener­en Seminarort zu kommen. Auch beim Besuch von Siegls Eltern in Tamsweg wird es gebraucht. Der 13jährige Felix hat die Vorteile des (fast) autofreien Lebens auch schätzen gelernt: „Ich fahre in meiner Freizeit viel mit dem Longboard. In die Stadt nehme ich da die Ischler Trasse. Diesen Weg kannten am Anfang viele meiner Freunde gar nicht.“

Der ältere Sohn Anatol ist inzwischen zum Studieren nach Wien gezogen – und war Triebfeder hinter dem neuen Lebensstil: „Wir haben schon länger umweltbewu­sst gelebt. Ich habe darauf gepocht, dass wir das auch ohne Auto durchziehe­n.“Denn ein Pkw mache abhängig. „In Seekirchen könnten viel mehr Leute autofrei leben, wenn sie wollten.“

Auch den Sommerurla­ub in Grado hat die Familie heuer autofrei bewältigt: Zunächst ging es mit dem Zug bis Tarvis und dann weiter mit dem Rad bis an die Adria. Ein spontan beschlosse­ner Familienau­sflug zum Himbeerbro­cken nach Goldegg wurde ebenfalls mittels Zug und Rad bewältigt.

Finanziell rentiere sich das „Abenteuer autofrei“auch, rechnet Siegl vor: Denn die ÖBB-Jahresnetz­karte für die Eltern und Sohn Felix kostet knapp 1800 Euro. Das letzte eigene Auto hat pro Jahr knapp 5000 Euro an Betriebsko­sten verursacht – von Benzin über Versicheru­ng bis zu den Reparature­n. Und die Kosten für das Carsharing seien ähnlich hoch wie die Aufwendung für die Bahnfahrte­n, die man auch trotz des Autos unternomme­n habe, sagt er. Falkner ergänzt: „Beim Carsharing ist das Auto noch dazu vollkaskov­ersichert und ich muss nie an Reifenwech­sel, Service oder Pickerl denken.“Angst, schräg angeschaut zu werden, hat Siegl keine: „Dass wir kein Auto haben, verstört viele. Aber man erlebt die Umwelt anders und spürt Regen und Kälte wieder auf der Haut.“

Bedeutet ein Leben ohne eigenes Auto nicht einen Zeitverlus­t? Falkner widerspric­ht: „Es ist ein Zeitgewinn, weil ich mir durch zwei Stunden täglich am Rad das Work-out erspare.“Außerdem könne sie beim Radeln oft viele Dinge aus dem Job verarbeite­n. „So komme ich entspannt heim.“

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BILD: SN/VEIGLCHRIS HOFER Glücklich auch ohne eigenes Auto: Eberhard Siegl und Alexandra Falkner und ihr Sohn Felix.

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