Der Feind aller heißt jetzt IS
Von den Teilnehmern des G20-Gipfels in der Türkei wird energisches Handeln gegen den Islamisten-Terror erwartet. Aber ohne Verständigung zwischen den USA und Russland gibt es keinen Ausweg im Syrien-Konflikt.
„Der Himmel
hat sich verdunkelt.“
Den Himmel über Belek kann nichts trüben. Die Staats- und Regierungschefs von 20 wichtigen Industrie- und Schwellenländern sind bei strahlender Sonne in die Türkei gekommen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel steht beim traditionellen „Familienfoto“in der Mitte der Mächtigen zwischen USPräsident Barack Obama und dem türkischen Gastgeber Recep Tayyip Erdoğan. Sie lächeln in die Kamera.
Aber bildlich ist der Himmel über der Welt rabenschwarz. Obama sagt es so: „Der Himmel hat sich verdunkelt durch die schrecklichen Angriffe, die in Paris stattfanden.“Frankreich spricht von Krieg.
Leere Worthülsen nach den Terroranschlägen in Paris wären wohl eine Bankrotterklärung für den G20-Gipfel. Das will EU-Ratspräsident Donald Tusk verhindern. Er mahnt: „Frankreich erwartet Taten.“Und: „Das kann nicht nur ein weiterer Gipfel sein. Heute ist es Zeit zu handeln.“
Zeit zu handeln hatten die G20Staaten schon viel früher. Vor zwei Jahren auf dem Gipfel im russischen St. Petersburg ging es bereits um den 2011 ausgebrochenen blutigen Krieg in Syrien. Daraus entwickelte sich 2015 eine Flüchtlingskatastrophe. Eine Terrormiliz erstarkte, die sich „Islamischer Staat“(IS) nennt und Menschen auf fürchterliche Weise umbringt. Doch 2013 kamen die G20-Staaten vor lauter Streit nicht zueinander.
Es ist ein grausamer Grund, aber durch den IS-Terror in Paris bekommt das von Erdoğan auf die Tagesordnung gesetzte Thema Flüchtlinge und Terror noch mehr Gewicht. Es ist ohnehin ungewöhnlich für die G20, die sich sonst mehr mit Wirtschaft und Finanzen beschäftigt. Doch für Merkel ist das auch eine Chance, mehr Solidarität bei der Verteilung der Flüchtlinge zu bekommen. Zu Hunderttausenden haben sie sich nach Deutschland durchgeschlagen – viele von ihnen, um dem Morden des IS zu entkommen. Helfer, Polizei und Bürger haben nun aber Angst vor Überforderung. Merkel findet sich nach ihrer offenherzigen Aufnahme selbst in einer Krise wieder – vor allem mit ihrer eigenen Partei. Die Hauptakteure sind Putin und Obama. Sie werden mit Argusaugen verfolgt. Ein kurzer Händedruck der beiden, ein paar Worte sind der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass eine Eilmeldung wert. Später sitzen die beiden Präsidenten länger zusammen. Sie sind es, die wohl über den Durchbruch für Frieden in Syrien entscheiden. Doch ihre Interessen, Werte und Ansichten liegen weit auseinander. Tusk fordert „jeden der G20-Anführer“dazu auf, sich bei Militäroperationen in Syrien auf den IS zu konzentrieren. Russland wird vorgeworfen, mit seinen Luftangriffen Gegner des Regimes von Machthaber Baschar alAssad anzugreifen – und weitaus weniger den IS.
Frankreich wird wohl nicht den Artikel 5 des NATO-Vertrags in Anspruch nehmen, so wie es die Amerikaner nach den Anschlägen am 11. September 2001 gemacht haben. Denn wenn die NATO den Bündnisfall ausriefe, könnte Russland nicht mit ins Boot geholt werden. Der Syrienkrieg wird aber ohne Assads Verbündeten nicht zu beenden sein.