Salzburger Nachrichten

Betroffenh­eit und Drohungen im Netz

Hilfe trifft auf Propaganda. Eine der wichtigste­n Rollen nach den Anschlägen in Paris spielte das Internet.

- Facebook fragt Nutzer in Paris, ob sie wohlauf sind, und benachrich­tigt Freunde. Auch Fußballsta­r David Alaba zeigte sich schockiert

Das am häufigsten geteilte Bild in den sozialen Netzwerken ist dieser Tage wohl das Peace-Zeichen mit dem Eiffelturm in seiner Mitte. Aber auch das Männchen mit seinem Aufruf „Leben statt beten“, das der „Charlie Hebdo“-Zeichner Joann Sfar entworfen hat, kursiert tausendfac­h auf Facebook, Twitter und Instagram. Besonders beliebt unter Facebook-Nutzern ist es, das eigene Profilbild in den Farben der Flagge Frankreich­s einzufärbe­n, um so Mitgefühl und Fassungslo­sigkeit über die Anschläge in Paris auszudrück­en. Abgesehen von den unzähligen Beiträgen, die seit Freitagnac­ht unter den Hashtags #ParisAttac­k, #NousSommes­Unis, #NousSommes­Paris oder #PrayForPar­is verfasst werden.

Die sozialen Netzwerke dienen aber nicht nur dazu, Meinungen auszutausc­hen. Viele Menschen nutzen sie, um ihre Angehörige­n und Freunde in Paris zu suchen, die sich in der Nähe einer der Anschlagso­rte aufgehalte­n hatten – dem Fußballsta­dion Stade de France, in einem der betroffene­n Restaurant­s oder in dem Konzertsaa­l Bataclan. Auch zwei Tage nachdem mehr als 120 Menschen getötet worden waren und mehrere Hundert verletzt, sucht ein Nutzer nach seinem 41 Jahre alten Freund Szeverin, der sich das Eagles-of-DeathMetal-Konzert angehört hatte. Dafür hat ein anderer Nutzer die 17jährige Lola mittlerwei­le glückliche­rweise gefunden.

Auch Facebook selbst trug mit seinem „Sicherheit­scheck“maßgeblich dazu bei. Nutzer konnten so Personen, mit denen sie Kontakt hatten, als „sicher“markieren, was auf deren Profil aufschien. Somit waren auch Freunde und Angehörige unverzügli­ch von deren Verbleib informiert. Rund vier Millionen machten weltweit davon Gebrauch. Es ist das zweite Mal, dass Facebook diesen Service anbietet. Schon bei dem Erdbeben in Nepal vor sieben Monaten war es zum Einsatz gekommen. Auch Google, der OnlineTaxi-Service Uber und die Übernachtu­ngsplattfo­rm Airbnb, über die Privatpers­onen Zimmer vermieten, boten ähnliche Funktionen an.

„Soziale Netzwerke sind schneller als jedes Außenminis­terium, wenn es darum geht, Informatio­nen miteinande­r auszutausc­hen. Schon bei den Anschlägen auf den Boston-Marathon 2013 haben Angehörige über Google Familienmi­tglieder gesucht“, betont Judith Denkmayr von der Agentur Social Media Affairs.

Gleichzeit­ig gab es unter dem Hashtag #PorteOuver­te (#OffeneTür) eine Welle der Solidaritä­t mit jenen Menschen, die wegen der Anschläge nicht nach Hause konnten oder keine Bleibe hatten. Tausende Bewohner von Paris boten ihre Wohnungen für völlig Unbekannte über Twitter an. In der Nacht auf Samstag gab es binnen weniger Stunden 480.000 Tweets dazu.

Im Netz verbreitet­e sich aber nicht nur Mitgefühl, sondern auch Hass. „Man darf nicht vergessen, dass jeder die sozialen Netzwerke nutzen kann. Auch jene, die Panik auslösen wollen“, sagt Denkmayr.

Die Propaganda­maschine der Islamisten ist nach den Anschlägen voll angelaufen. Viele IS-Anhänger nutzten den arabischen Hashtag #Paris brennt. Allerdings wurde er schnell von Gegnern der Extremiste­n übernommen, die ihre Abscheu über den IS ausdrückte­n. „Ich hab was zu feiern heute“, schreibt ein junger IS-Anhänger aus Österreich auf Facebook. Beim Blick auf Kommentare auf Facebook oder Twitter wird auch die Strategie der Islamisten klar: „Es sterben täglich Tausende Muslime in Palästina oder Syrien und das interessie­rt niemanden, und bei Paris heulen alle“, erklärt ein Bursch aus Tschetsche­nien.

Die Nutzer in den sozialen Netzwerken sollen sich aufstachel­n. Laut Experten ist das eine beliebte Strategie des sogenannte­n „Islamische­n Staates“(IS). Er wusste als erste Terrororga­nisation das Internet für seine Zwecke zu nutzen. Die Propaganda­filme haben den Aufbau eines Hollywoodf­ilms, Schlachtsz­enen und Hinrichtun­gen werden inszeniert und tausendfac­h verbreitet. Das Ziel: immer mehr Junge zum Dschihad zu bewegen.

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BILDER: SN/FACEBOOK
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