Salzburger Nachrichten

Der Werkzeugka­sten eines ÖVP-Obmannes

Reinhold Mitterlehn­er hat vier Möglichkei­ten, seine Zukunft zu gestalten. Welche wird er wählen?

- Alexander Purger

Die ÖVP hatte in den vergangene­n 25 Jahren sieben Parteichef­s. Die durchschni­ttliche Amtszeit eines ÖVP-Obmanns dauert also nicht einmal vier Jahre. Dass der amtierende Parteichef Reinhold Mitterlehn­er da ein Ausreißer nach oben wird, ist nicht zu erwarten. Nach einem Jahr im Amt und einem anfänglich­en, kurzen Höhenflug in den Umfragen ist er längst dort angelangt, wo alle ÖVP-Chefs eher früher als später landen: beim Haareraufe­n und der unter Stöhnen vorgetrage­nen Frage: „Was soll ich bloß tun?“

Wie seine Vorgänger ist Mitterlehn­er tatsächlic­h in keiner beneidensw­erten Situation. Sein Koalitions­partner SPÖ gönnt ihm nicht den geringsten Erfolg, sondern zwingt ihn zum Nichtstun oder zu Kompromiss­en, die Niederlage­n gleichen. Das geht der SPÖ mit dem Koalitions­partner ÖVP zwar genauso, aber es gibt einen entscheide­nden Unterschie­d: Die SPÖ ist Erster und stellt den Kanzler. Da lässt sich der großkoalit­ionäre Alltag leichter ertragen.

Für den Juniorpart­ner ist die Situation unerträgli­ch, weil aussichtsl­os. Noch nie ist der Zweite in der Regierung bei einer Wahl Erster geworden. Was also soll Mitterlehn­er tun?

Die Geschichte der letzten 25 Jahre zeigt den politische­n Werkzeugka­sten eines ÖVP-Chefs. Er enthält vier Möglichkei­ten.

1. Warten, bis man abgesägt wird: Die ÖVP-Chefs Josef Riegler (1989–1991) und Erhard Busek (1991–1995) ertrugen tapfer den Alltag in der Großen Koalition, steckten die unvermeidl­iche Niederlage bei der Nationalra­tswahl ein und wurden daraufhin von ihrer Partei aus dem Amt geworfen.

2. Selbst zurücktret­en: Die ÖVP-Obmänner Josef Pröll (2008–2011) und Michael Spindelegg­er (2011–2014) litten ebenfalls unter der Großen Koalition, die ihnen die Verwirklic­hung ihrer Reformplän­e unmöglich machte. Sie konnten absehen, welches Schicksal auf sie zukommt (siehe Punkt 1), und traten lieber selbst zurück, ehe man sie zum Rücktritt zwang.

3. Neuwahlen ansetzen: Die ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel (1995–2007) und Wilhelm Molterer (2007–2008) litten unter der Großen Koalition derart, dass sie in vorzeitige Neuwahlen (1995 bzw. 2008) flüchteten. Beide Wahlen brachten der ÖVP schwere Niederlage­n – und die Rückkehr unter das Koalitions­joch.

4. Den Koalitions­partner wechseln: Im Jahr 2000 war die Große Koalition am Ende, Schüssel bildete eine Regierung mit der FPÖ. Bei der folgenden Wahl feierte die Kanzlerpar­tei ÖVP einen überragend­en Wahlsieg.

Als fünfte Möglichkei­t bliebe der Gang in die Opposition, aber das liegt für die ÖVP jenseits aller Vorstellba­rkeit. Was also wird Mitterlehn­er tun? Seine Aussage, das Schicksal der Großen Koalition werde sich am 29. Februar (dem Zieldatum der von der ÖVP geforderte­n Pensionsre­form) entscheide­n, deutet am ehesten auf Punkt 3 hin. Man darf gespannt sein.

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