Der Werkzeugkasten eines ÖVP-Obmannes
Reinhold Mitterlehner hat vier Möglichkeiten, seine Zukunft zu gestalten. Welche wird er wählen?
Die ÖVP hatte in den vergangenen 25 Jahren sieben Parteichefs. Die durchschnittliche Amtszeit eines ÖVP-Obmanns dauert also nicht einmal vier Jahre. Dass der amtierende Parteichef Reinhold Mitterlehner da ein Ausreißer nach oben wird, ist nicht zu erwarten. Nach einem Jahr im Amt und einem anfänglichen, kurzen Höhenflug in den Umfragen ist er längst dort angelangt, wo alle ÖVP-Chefs eher früher als später landen: beim Haareraufen und der unter Stöhnen vorgetragenen Frage: „Was soll ich bloß tun?“
Wie seine Vorgänger ist Mitterlehner tatsächlich in keiner beneidenswerten Situation. Sein Koalitionspartner SPÖ gönnt ihm nicht den geringsten Erfolg, sondern zwingt ihn zum Nichtstun oder zu Kompromissen, die Niederlagen gleichen. Das geht der SPÖ mit dem Koalitionspartner ÖVP zwar genauso, aber es gibt einen entscheidenden Unterschied: Die SPÖ ist Erster und stellt den Kanzler. Da lässt sich der großkoalitionäre Alltag leichter ertragen.
Für den Juniorpartner ist die Situation unerträglich, weil aussichtslos. Noch nie ist der Zweite in der Regierung bei einer Wahl Erster geworden. Was also soll Mitterlehner tun?
Die Geschichte der letzten 25 Jahre zeigt den politischen Werkzeugkasten eines ÖVP-Chefs. Er enthält vier Möglichkeiten.
1. Warten, bis man abgesägt wird: Die ÖVP-Chefs Josef Riegler (1989–1991) und Erhard Busek (1991–1995) ertrugen tapfer den Alltag in der Großen Koalition, steckten die unvermeidliche Niederlage bei der Nationalratswahl ein und wurden daraufhin von ihrer Partei aus dem Amt geworfen.
2. Selbst zurücktreten: Die ÖVP-Obmänner Josef Pröll (2008–2011) und Michael Spindelegger (2011–2014) litten ebenfalls unter der Großen Koalition, die ihnen die Verwirklichung ihrer Reformpläne unmöglich machte. Sie konnten absehen, welches Schicksal auf sie zukommt (siehe Punkt 1), und traten lieber selbst zurück, ehe man sie zum Rücktritt zwang.
3. Neuwahlen ansetzen: Die ÖVP-Chefs Wolfgang Schüssel (1995–2007) und Wilhelm Molterer (2007–2008) litten unter der Großen Koalition derart, dass sie in vorzeitige Neuwahlen (1995 bzw. 2008) flüchteten. Beide Wahlen brachten der ÖVP schwere Niederlagen – und die Rückkehr unter das Koalitionsjoch.
4. Den Koalitionspartner wechseln: Im Jahr 2000 war die Große Koalition am Ende, Schüssel bildete eine Regierung mit der FPÖ. Bei der folgenden Wahl feierte die Kanzlerpartei ÖVP einen überragenden Wahlsieg.
Als fünfte Möglichkeit bliebe der Gang in die Opposition, aber das liegt für die ÖVP jenseits aller Vorstellbarkeit. Was also wird Mitterlehner tun? Seine Aussage, das Schicksal der Großen Koalition werde sich am 29. Februar (dem Zieldatum der von der ÖVP geforderten Pensionsreform) entscheiden, deutet am ehesten auf Punkt 3 hin. Man darf gespannt sein.
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