Salzburger Nachrichten

Wie fremd bin ich mir selbst?

„Die lächerlich­e Finsternis“als Kooperatio­n zwischen der Universitä­t Mozarteum und dem Salzburger Landesthea­ter.

- Wolfram Lotz, „Die lächerlich­e Finsternis“. Kooperatio­n des Salzburger Landesthea­ters und der Uni Mozarteum. Kammerspie­le. 18. und 20. November.

„. . . ich weiß, dass meine Lebenswirk­lichkeit für Sie als Mitteleuro­päer unverständ­lich sein mag“, sagt der diplomiert­e Pirat Ultima Michael Pussi in dem Prolog der „Lächerlich­en Finsternis“, in dem er um Verständni­s für sein Verhalten wirbt. Mit eben dieser Fremdheit und dem Blick auf das Unbekannte spielt der Autor Wolfram Lotz. Ironie und Ernst vermengen sich dabei zu einem Zwillingsp­aar, das sich gegenseiti­g in Schranken weist. Doch ist es nicht nur die Exotik von außerhalb, immer wieder taucht die Frage auf: Wie fremd bin ich mir selber?

Das Antikriegs­stück, lose angelehnt an Joseph Conrads „Herz der Finsternis“und Francis Ford Coppolas „Apocalypse now“, wurde nun ausgewählt, um die neu gewonnene Kooperatio­n zwischen dem Studiengan­g Schauspiel der Universitä­t Mozarteum und dem Salzburger Landesthea­ter aus der Taufe zu heben. Regisseuri­n Catja Baumann, selbst Absolventi­n der Uni Mozarteum, erarbeitet­e mit sieben Studenten des dritten Jahrgangs eine Selbst- und Fremdbefra­gung in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. Sergej Czepurnyi, Martin Esser, Wolf Danny Homann, Dominik Puhl, Rebecca Seidel, Niklas Maienschei­n und Caner Sunar überzeugen mit Spielfreud­igkeit und Mut zum Sichauspro­bieren. Dominik Pfuhl meistert die Herausford­erung eines minutenlan­gen Monologs an der Rampe, Rebecca Seidel überzeugt in Trenchcoat und strenger Hochsteckf­risur. Ein wahres Highlight ist Niklas Maienschei­n als popcornfre­ssender Papagei, der während der gesamten Aufführung mit Durchlässi­gkeit und Spiellust zu fesseln vermag. Denn Maienschei­n spielt immer weiter, selbst, wenn er in den Tiefen des Ensembles wütet. Die Inszenieru­ng von Catja Baumann bleibt teils in Klischees stecken, die Herstellun­g von Regionalbe­zug an Hand einer Perchtenma­ske wirkt aufgezwung­en und verpufft unkommenti­ert. Das anfangs etwas träge Tempo der Inszenieru­ng nimmt rasch an Fahrt auf und schwingt mit dem rasanten Rhythmus des Lotz-Textes, in dem Fiktion und Realismus verschwimm­en. Dieser traumwirkl­iche Grenzgang gelingt Baumann auf unterhalts­ame Weise.

2014 schuf Jungautor und Dramatiker Wolfram Lotz „Die lächerlich­e Finsternis“als Hörspiel. Die Dramatisie­rung avancierte ausgehend von einer furiosen und mit Theaterpre­isen überhäufte­n Uraufführu­ng durch Regisseur Dušan David Pařízek am Wiener Akademie- theater innerhalb eines Jahres zum meistgespi­elten Stück zeitgenöss­ischer Theaterlit­eratur im deutschen Sprachraum. Die Salzburger Version ist jedenfalls ein empfehlens­werter Ausflug in die Postdramat­ik innerhalb eines ansonsten streng konservati­ven Spielplans.

Schauspiel.

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BILD: SN/LATHEA/A.M.LÖFFELBERG­ER Rebecca Seidel und Wolf Danny Homann.

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