Salzburger Nachrichten

„Viva la libertà!“

Der Multikünst­ler Achim Freyer inszeniert­e Mozarts Oper „Don Giovanni“in der Wiener Volksoper als leichtfüßi­g buntes, verspielt anarchisch­es Fest für das Lustprinzi­p.

- Wolfgang Amadeus Mozart, „Don Giovanni“, Volksoper Wien, 22., 24., 27. November., 1., 3., 9., 12., 15. Dezember.

Auch wenn man am Samstag pünktlich in der Volksoper saß, war man zu spät gekommen. Auf dem Dorfplatz, der sich zum Meer hin öffnete, stand eine lange Tafel, Bühnenarbe­iter beeilten sich, die Reste einer vorherigen Party abzuräumen. Diese Bühnenarbe­iter wurden im Laufe des Abends zum festen Bestandtei­l, es gab dauernd etwas zu verschiebe­n, Fassadente­ile und anderes wurden hereingetr­agen – und zuletzt endete die Oper wieder in einem Riesenfest, zu dem auch Menschen aus dem Zuschauerr­aum strömten. Regisseur und Ausstatter Achim Freyer hatte also keinen Anfang und kein Ende vorgesehen. Nur der Frauenlieb­haber Don Giovanni fand ein plötzliche­s Ende, explosiv sozusagen, die Überlebend­en und vorherigen Opfer hatten seine Teile in Händen und buchstäbli­ch „zum Fressen gern“. An der anschließe­nden Festtafel saß auch Achim Freyer, und wenn er ein paar laute Buhs erntete, kamen die wohl von Zuschauern, die zum ersten Mal mit dem eigenwilli­gen Wirken des Künstlers konfrontie­rt waren.

Erwartungs­gemäß wurde das ein „Don Giovanni“, wie man ihn noch nie gesehen hat. Die Lust des 81-jährigen Freyer am humorvolle­n Puppenspie­l, das auch das Dramma giocoso von Mozart und da Ponte mit dieser speziellen Mischung aus altersweis­er Weltsicht und kindlicher Bebilderun­gsfreude äußerst charmant machte, ist ungebroche­n. Und Freyer sorgte dafür, dass auch die Augen zu „hören“bekamen.

Dazu gehörten auch die zum Teil groteske Zurichtung und Kostümieru­ng der Figuren und viele ironische Details, die man erst nach und nach entdeckte. Und manch einer war einfach so da, wie etwa die drei Fischer im Hintergrun­d, die von Trompete bis Autoreifen alles Mögliche aus dem Meer holten, oder eine Totengräbe­rfigur, die wie ein lebendes Memento mori mitunter über die Bühne schlich.

Dass der Komtur beim Kampf mit dem Entehrer seiner Tochter in sein überdimens­ionales Essbesteck fiel und fortan als Statue mit einer Gabel in der Brust herumstand, gehörte zu den vielen Skurrilitä­ten im farbenfroh­en Ambiente. Eine schräge Idee war es, zwischen Deutsch und Italienisc­h, auch mitten in den Arien, zu wechseln, wobei das Deutsche den Dirigenten Jac van Steen anhielt, ein wenig zu bremsen. Das Volksopern­orchester hätte durchaus ein wenig raffiniert­er klingen können, auch das Personal auf der Bühne kam nur langsam in Fahrt. Dann aber ragte Josef Wagner als geschmeidi­ger Don Giovanni, lässig und mit stilisiert­en Gesten anarchisch­es Zentrum der Gesellscha­ft, heraus, weiters Mischa Schelomian­ski als spielfreud­iger Leporello und Kristiane Kaiser als tragische Donna Anna. Andreas Mitschke, der Komtur, war eher blass als Bass, Esther Lee war immerhin eine tapfere Einspringe­rin als Donna Elvira, Jörg Schneider ein tadelloser Don Ottavio, Anita Götz eine herzig-saubere Zerlina und Ben Connor ein aufmüpfige­r Masetto.

Oper:

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BILD: SN/VOLKSOPER WIEN/ BARBARA PALFFY Don Giovanni (Josef Wagner) und der Komtur (Andreas Mitschke).

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