„Viva la libertà!“
Der Multikünstler Achim Freyer inszenierte Mozarts Oper „Don Giovanni“in der Wiener Volksoper als leichtfüßig buntes, verspielt anarchisches Fest für das Lustprinzip.
Auch wenn man am Samstag pünktlich in der Volksoper saß, war man zu spät gekommen. Auf dem Dorfplatz, der sich zum Meer hin öffnete, stand eine lange Tafel, Bühnenarbeiter beeilten sich, die Reste einer vorherigen Party abzuräumen. Diese Bühnenarbeiter wurden im Laufe des Abends zum festen Bestandteil, es gab dauernd etwas zu verschieben, Fassadenteile und anderes wurden hereingetragen – und zuletzt endete die Oper wieder in einem Riesenfest, zu dem auch Menschen aus dem Zuschauerraum strömten. Regisseur und Ausstatter Achim Freyer hatte also keinen Anfang und kein Ende vorgesehen. Nur der Frauenliebhaber Don Giovanni fand ein plötzliches Ende, explosiv sozusagen, die Überlebenden und vorherigen Opfer hatten seine Teile in Händen und buchstäblich „zum Fressen gern“. An der anschließenden Festtafel saß auch Achim Freyer, und wenn er ein paar laute Buhs erntete, kamen die wohl von Zuschauern, die zum ersten Mal mit dem eigenwilligen Wirken des Künstlers konfrontiert waren.
Erwartungsgemäß wurde das ein „Don Giovanni“, wie man ihn noch nie gesehen hat. Die Lust des 81-jährigen Freyer am humorvollen Puppenspiel, das auch das Dramma giocoso von Mozart und da Ponte mit dieser speziellen Mischung aus altersweiser Weltsicht und kindlicher Bebilderungsfreude äußerst charmant machte, ist ungebrochen. Und Freyer sorgte dafür, dass auch die Augen zu „hören“bekamen.
Dazu gehörten auch die zum Teil groteske Zurichtung und Kostümierung der Figuren und viele ironische Details, die man erst nach und nach entdeckte. Und manch einer war einfach so da, wie etwa die drei Fischer im Hintergrund, die von Trompete bis Autoreifen alles Mögliche aus dem Meer holten, oder eine Totengräberfigur, die wie ein lebendes Memento mori mitunter über die Bühne schlich.
Dass der Komtur beim Kampf mit dem Entehrer seiner Tochter in sein überdimensionales Essbesteck fiel und fortan als Statue mit einer Gabel in der Brust herumstand, gehörte zu den vielen Skurrilitäten im farbenfrohen Ambiente. Eine schräge Idee war es, zwischen Deutsch und Italienisch, auch mitten in den Arien, zu wechseln, wobei das Deutsche den Dirigenten Jac van Steen anhielt, ein wenig zu bremsen. Das Volksopernorchester hätte durchaus ein wenig raffinierter klingen können, auch das Personal auf der Bühne kam nur langsam in Fahrt. Dann aber ragte Josef Wagner als geschmeidiger Don Giovanni, lässig und mit stilisierten Gesten anarchisches Zentrum der Gesellschaft, heraus, weiters Mischa Schelomianski als spielfreudiger Leporello und Kristiane Kaiser als tragische Donna Anna. Andreas Mitschke, der Komtur, war eher blass als Bass, Esther Lee war immerhin eine tapfere Einspringerin als Donna Elvira, Jörg Schneider ein tadelloser Don Ottavio, Anita Götz eine herzig-saubere Zerlina und Ben Connor ein aufmüpfiger Masetto.
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