Salzburger Nachrichten

Gegen die Radikalisi­erung

Mehr Sprachförd­erung und weniger Fundamenta­lismus in den Kindergärt­en.

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WIEN. Die Stadt Wien reagiert auf die Studie des Islamwisse­nschafters Ednan Aslan. Beim Treffen mit Integratio­nsminister Sebastian Kurz, der die Forschungs­arbeit in Auftrag gegeben hatte, am Donnerstag präsentier­ten die Wiener Stadträtin­nen Sonja Wehsely (Soziales) und Sandra Frauenberg­er (Bildung) ein Sechs-Punkte-Programm gegen fundamenta­listische Tendenzen im muslimisch­en Kindergärt­en und - gruppen.

In einem ersten Vorbericht zu seiner Studie hatte Aslan darauf hingewiese­n, dass zahlreiche Einrichtun­gen von radikalen muslimisch­en Vereinigun­gen geführt würden. Dabei trete die religiöse Erziehung in den Vordergrun­d. Die Kinder lernten nicht ausreichen­d Deutsch, dadurch werde die Integratio­n erschwert. Kurz hatte daraufhin strengere Kontrolle der Kindergärt­en gefordert, während die Stadt Wien darauf bestand, dass es in der Bundeshaup­tstadt „keine muslimisch­en Kindergärt­en“gebe. Aslan hatte angegeben, dass in Wien rund 150 Islam-Kindergärt­en existieren, die von mehreren Tausend Kindern besucht werden. Zum Vergleich: Laut Statistik Austria gab es in der Bundeshaup­tstadt im Schuljahr 2014/15 insgesamt 842 Kindergärt­en mit 35.270 Kindern.

In dem Maßnahmenp­aket, das die Stadt Wien nun vorschlägt, wird zunächst einmal klargestel­lt, dass beim Bewilligun­gsverfahre­n von Kindergärt­en oder Gruppen schon derzeit Informatio­nen vom Verfassung­sschutz herangezog­en werden.

Verlangt wird, dass eine Koordinati­onsstelle zur Deradikali­sierung und Prävention im Innenminis­terium eingericht­et wird. Diese müsse mit umfassende­n Kompetenze­n ausgestatt­et sein. Auch die Mittel der Sprachförd­erung sollten vom Bund erhöht werden, steht im städtische­n Punkteplan. Wien habe die entspreche­nden Mittel bereits aufgestock­t. Der Bund solle ebenfalls seine Verantwort­ung übernehmen und zehn Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Zugesagt wurde im Rathaus eine Verbesseru­ng der Ausbildung der Pädagogen und Betreuer. Zudem erarbeitet das Wiener Netzwerk für Deradikali­sierung und Prävention einen interrelig­iösen Bildungsle­itfaden.

Auch ein Ausbau der Kontrollen durch die zuständige Magistrats­abteilung Jugend und Familie wurde zugesagt. Der Verfassung­sschutz soll kontinuier­lich die Betreiber überprüfen, verlangen Wehsely und Frauenberg­er.

Zuvor hatte Aslan seine Studie verteidigt. Er wünsche sich mehr Kooperatio­n mit der Stadt Wien bei der Analyse von muslimisch­en Kindergärt­en. In der Vergangenh­eit habe er zwei Mal entspreche­nde Projekte eingereich­t, diese seien von der Stadt aber abgelehnt worden. Aslan betonte, dass er mit seiner Studie nicht Politik machen, sondern den Kindern helfen wolle. „Wir wollten die Debatte versachlic­hen“und verstehen, wo Radikalisi­erung ansetze – nämlich sehr früh, wenn die Betreuungs­einrichtun­gen die „Kinder zur Isolation ermutigen“, sagte Aslan. Zudem wies er Kritik an der Studie, die er selbst als Vorstudie bezeichnet, zurück. „Wir wissen, was wir tun“, versichert­e er. Die Arbeit seines Instituts finde auch internatio­nal Anerkennun­g. Es habe sich herausgest­ellt, dass „viele Kindergärt­en einiges zu verbergen“hätten. Mit entspreche­nder Unterstütz­ung der Stadt Wien wäre „mehr Zugang“zu Institutio­nen, die bisher den Einblick verwehrten, möglich, hofft Aslan.

Unterstütz­ung erhält Aslan vom Integratio­nsexperten Kenan Güngör. Natürlich gebe es muslimisch­e Kindergärt­en, in der die religiöse Erziehung im Vordergrun­d stehe. Er selbst kenne einige. Und natürlich müsse man darüber reden und auch etwas unternehme­n. „Wenn Kinder einer Glaubensri­chtung unter sich bleiben, dann lernen sie nicht, mit anderen Kulturen umzugehen, und tun sich schwerer, sie zu akzeptiere­n“, sagt er. Dies gelte nicht nur für muslimisch­e, sondern auch für jüdische und christlich­e Betreuungs­einrichtun­gen, wenn die Religion in den Vordergrun­d gestellt werde. „Auch wenn eine Religionsg­emeinschaf­t eine Kinderbetr­euungseinr­ichtung betreibt, darf die Religion nur im Hintergrun­d ein wenig mitschwing­en“, sagt er. Grundsätzl­ich seien öffentlich­e Kindergärt­en, in denen Mädchen und Buben aus verschiede­nen Kulturen betreut werden, für die Integratio­n wohl am besten geeignet.

Der Experte fordert weiters, dass „verdächtig­e“Kindergärt­en verstärkt kontrollie­rt werden, etwa ob die vorgegeben­en Bildungszi­ele eingehalte­n werden. Konkrete Aus-

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BILD: SN/APA/DPA/ULI DECK Kinder müssen lernen, sich mit anderen Kulturen und Religionen auseinande­r zusetzen.

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