Kraftwerksbetreiber argumentieren mit Klimaschutz
Doch bei einem EVN-Projekt im Kamptal zeigt der Naturschutz die Grenzen auf.
WIEN. Wasserkraftwerke sind die große Hoffnung im Klimaschutz. Dieses positive Image gab es nicht immer: Vor 26 Jahren, zu Weihnachten 1984, erreichte der Kampf gegen das geplante Kraftwerk in Hainburg seinen Höhepunkt. In Zeiten des Klimawandels wird hingegen die Wende von fossilen Energieträgern zu erneuerbaren Energien, eben auch zu mehr Wasserkraft, großgeschrieben. Zahlreiche Energieanbieter bewerben ihre Baupläne als umweltfreundlich und klimaneutral. Sogar die Grünen reden vom Ökostrom durch Wasserkraft, die Kabarettisten Stermann und Grissemann geben sich für Kampagnen des Verbunds her.
Doch oftmals stößt Klimaschutz auf Naturschutz. Wasserkraftwerke können je nach Größe massive ökologische Folgen für Flüsse haben. Neubauten sollten in Österreich, das mit 75 Prozent das Nutzungspotenzial seiner Gewässer ziemlich ausgeschöpft hat, eher tabu sein. In Niederösterreich sind es sogar 90 Prozent. Deshalb sprechen Stromversorger lieber von „Sanierung bestehender Anlagen“, was auf den ersten Blick sinnvoll ist. Ein Beispiel ist ein Vorhaben des niederösterreichischen Anbieters EVN, der die Wehranlage Rosenburg im Kamptal abreißen und durch eine neue, 6,5 Meter hohe Staumauer ersetzen will. Zusätzlich soll der Fluss auf einer Länge von 1,2 Kilometern um 1,5 Meter tiefergelegt werden, um die Fallhöhe zu steigern. „Das ist bei einem der letzten nahezu unverbauten Flüsse außerhalb der Alpen und in einem Europaschutzgebiet ein schwerer Eingriff“, sagt der Kamptaler Naturschützer und Fotograf Werner Gamerith. Geschützte Arten wie Was- seramsel, Eisvogel, Smaragdeidechse, Würfelnatter haben hier ihre Refugien.
Laut Energie- und Umweltagentur wird die Stromproduktion in Niederösterreich zu rund 60 Prozent von fünf Großkraftwerken an der Donau ermöglicht, 567 Kleinkraftwerke decken nur vier Prozent ab. „Es würde kaum einen Unterschied machen, wenn man 100 Kleinkraftwerke abreißt“, meint der Experte Ulrich Eichelmann von der NGO Riverwatch. Für ihn ist die „Ära der Wasserkraftwerke“vorbei, man sollte eher an Renaturierung von Flüssen denken. Notwendig wären zudem Stromsparen und Energieeffizienz, denn der jährliche Strombedarf steigt laut Umweltbundesamt nach wie vor. Ein Kleinkraftwerk könnte den Bedarf nur kurzfristig decken. Eichelmann ist zurzeit häufig auf dem Balkan, der wegen seiner natürlichen Flüsse als das „blaue Herz Europas“gilt. Auch dort sind zahlreiche Kraftwerke geplant. „Wir können den Leuten nicht sagen, verbaut eure schönen Flüsse nicht, wenn wir selbst die letzten Flüsse opfern“, meint er.
Die EVN ist mehrheitlich im Besitz des Landes, das auch Genehmigungsbehörde für den Bau ist. Diese Konstellation sorgt für Kritik, da sich – überspitzt formuliert – der Projektbetreiber selbst sein Projekt genehmigt. EVN-Sprecher Stefan Zach räumte gegenüber den SN ein, dass die Verträglichkeit der Ausbaggerung des Flusses „sicher genau geprüft“werden müsse. Doch die Wehr werde nur um 2,5 Meter erhöht. „Die EVN bemüht sich um ein naturverträgliches Projekt. Der Bestand der geschützten Tierarten wird nicht gefährdet“, so Zach.