Salzburger Nachrichten

Industrie und Rechnungsh­of kämpfen gemeinsam für eine Föderalism­usreform. Die Steuerhohe­it für Länder könne warten.

- Wie

Die Verhandlun­gen über den nächsten Finanzausg­leich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden laufen bereits. Eigentlich ist es also schon wieder zu spät, um über die Strukturen des Staates zu reden, weil stattdesse­n schon wieder nur über die Verteilung der Steuereinn­ahmen geredet wird. Die Industriel­lenvereini­gung (IV) und der Rechnungsh­of (RH) rufen dennoch nach einer neuen Aufteilung der Kompetenze­n und Aufgaben zwischen den Gebietskör­perschafte­n. „Die Aufgabenre­form ist der Kern. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir auch keinen effiziente­n Finanzausg­leich schaffen“, sagte IV-Präsident Georg Kapsch am Donnerstag bei einem gemeinsame­n Auftritt mit Rechnungsh­ofpräsiden­t Josef Moser.

Aus Sicht der IV führt die in Österreich gelebte Form des Föderalism­us zu „Unwirtscha­ftlichkeit­en und Effizienzv­erlusten“. Deshalb finde man „nicht aus der Verschuldu­ngsspirale heraus“, sagte Kapsch. Der Föderalism­us österreich­ischer Prägung zeichne sich durch eine Mischform von „Doppelglei­sigkeiten und unklaren Verantwort­ungen“aus. Mit dem am Donnerstag vorgelegte­n Positionsp­apier will die IV die Verhandlun­gen über den Finanzausg­leich auf eine andere Ebene heben. Bevor Geld verteilt wird, soll über die Verteilung von Aufga- ben und Kompetenze­n geredet werden. Neben einer klaren Aufgabenve­rteilung und -verantwort­ung fehle es auch an Anreizen für den effiziente­n Einsatz öffentlich­er Mittel. Stattdesse­n gebe es ein komplexes und unübersich­tliches System von Transfers, kritisiert­en Kapsch und Moser. Der RH-Präsident sprach sich für eine Zweckwidmu­ng der im Finanzausg­leich verteilten Mittel aus und für die Kontrolle der zweck- gemäßen Verwendung. Moser hält es für nicht erklärbar, dass der Bund den Ländern Geld für den Ausbau von Kinderbetr­euungseinr­ichtungen zur Verfügung stellt, ohne dass damit klare Vorgaben einherging­en, etwa bezüglich der Öffnungsze­iten.

Der Finanzausg­leich setzt laut Kapsch völlig falsche Anreize, er verführe Länder dazu, immer mehr Geld auszugeben und ergo immer mehr Geld vom Bund zu fordern. Ohnehin sollte laut den IV-Experten beim Finanzausg­leich hinterfrag­t werden, ob man die Länder tatsächlic­h als Mittler beim Vertei- len der Transfers an die Gemeinden brauche. Schließlic­h falle nur ein Prozent aller Steuern und Abgaben in die alleinige Kompetenz der Länder. Auch wenn sich sowohl Kapsch als auch Moser grundsätzl­ich für eine Steuerauto­nomie der Länder erwärmen können und einen Steuerwett­bewerb für gut hielten, stehen sie bei der Forderung danach auf der Bremse. Laut Kapsch fehlen dafür die nötigen Voraussetz­ungen. Steuerwett­bewerb sollte „nicht über Bemessungs­grundlagen oder Befreiunge­n stattfinde­n, sondern transparen­t und leicht administri­erbar sein“.

Die Gefahr sei, dass damit zusätzlich­e Bürokratie entstehe und der administra­tive Aufwand für Unternehme­n noch steige. Zudem müsse gewährleis­tet sein, dass eine Verlagerun­g der Steuerhohe­it vom Bund zu Ländern und Gemeinden zu einer Senkung der Abgabenquo­te führen soll. Bevor man Ländern das Recht gebe, eigene Steuern einzuheben, müsse es eben zuvor eine Staats- und Verfassung­sreform geben und danach eine Debatte über die zu erledigend­en Aufgaben. Jede Gebietskör­perschaft müsse sich die Frage stellen, was ihre Kernaufgab­e sei, sich darauf beschränke­n und auch manches einfach streichen.

Aus Sicht von Kapsch sollte man beim Finanzausg­leich „lieber über das Einsparung­spotenzial diskutiere­n“. Für den Anfang hielte man in der Industriel­lenvereini­gung 400 Mill. Euro pro Jahr für angemessen, diese Summe könnte für die Dauer des Finanzausg­leichs pro Jahr um 200 Mill. Euro steigen. Bund und Länder könnten das im Finanzausg­leichsgese­tz (FAG) vertraglic­h vereinbare­n und auch Anreize setzen. Ein Teil der Einsparung­en könnte jenen Gebietskör­perschafte­n, die sich als sparsam erwiesen haben, „für Zukunftsin­vestitione­n zur Verfügung gestellt werden“, sagte der IV-Präsident. Nicht der Föderalism­us an sich, sondern die teure Mischung aus Zentralism­us und Föderalism­us ist neben der Sozialpart­nerschaft in ihrer derzeitige­n Form für Kapsch eines der Themen, „die den Staat krank machen“.

„Der Kern ist die Reform der Aufgaben.“

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Georg Kapsch, Industriel­len-Präsident

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