Salzburger Nachrichten

Exorzismus lässt Fragen offen

Eine Frau starb in einem Hotelzimme­r, weil Verwandte ihr einen vermeintli­chen Dämon austreiben wollten. Die Verdächtig­en sind in U-Haft. Die Ermittler haben noch viel Arbeit vor sich.

- SN, dpa

Nach dem gewaltsame­n Tod einer Frau bei einer mutmaßlich­en Teufelsaus­treibung in Frankfurt am Main gehen die Ermittler vielen noch offenen Fragen nach. „Da ist noch einiges zu tun“, sagte Oberstaats­anwältin Nadja Niesen am Donnerstag. So sind etwa die möglichen religiösen Hintergrün­de des Falls unklar. Außerdem prüfen die Ermittler den Zusammenha­ng mit dem Fall einer schwer verletzten Frau, die in einem Haus in Sulzbach im Taunus entdeckt worden war.

Wie berichtet, sollen die fünf mutmaßlich­en Täter die 41-Jährige vergangene­n Samstag in einem Hotelzimme­r stundenlan­g an ein Bett gefesselt und geprügelt haben, bis sie erstickte. Die Familie habe dann einen Geistliche­n gerufen, der Alarm geschlagen habe, sagte Oberstaats­anwältin Niesen. Die Behörde geht von Mord aus, die Verdächtig­en sitzen in U-Haft. Das Motiv war den Ermittlung­en zufolge, der ver- meintlich von Dämonen besessenen Frau den „Teufel auszutreib­en“.

Südkorea bot den Verdächtig­en unterdesse­n konsularis­che Unterstütz­ung an. Bei dem Opfer und den Festgenomm­enen handle es sich um Südkoreane­r, teilte eine Sprecherin des Außenminis­teriums in Seoul am Donnerstag mit. Das südkoreani­sche Generalkon­sulat in Frankfurt habe mit den fünf Ver- dächtigen wie auch mit der Familie der Getöteten in ihrer Heimat Kontakt aufgenomme­n. Unter den Festgenomm­enen ist nach ersten Erkenntnis­sen auch der 15-jährige Sohn der Getöteten. Laut Staatsanwa­ltschaft sind alle Beteiligte­n miteinande­r verwandt.

Bei den Vernehmung­en erhielten die Ermittler den Hinweis auf eine Frau in einem Haus in Sulzbach. Sie war unterkühlt und dem Verdursten nahe. In dem Haus hatten die Verdächtig­en zeitweise gewohnt. Die Polizei untersucht einen möglichen Zusammenha­ng mit der mutmaßlich­en Teufelsaus­treibung.

Im Mittelalte­r war der Exorzismus von „Besessenen“gang und gäbe. In der Gegenwart gibt es nur wenige dokumentie­rte Fälle von Teufelsaus­treibungen. Einige Beispiele: 2013 ordnete das Landgerich­t Ingolstadt die Unterbring­ung einer 56-Jährigen in einer psychiatri­schen Einrichtun­g zur Bewährung an. Die Frau war mit einer Axt auf ihren bettlägeri­gen Mann losgegange­n, weil sie glaubte, er sei vom Teufel besessen. Zuvor war ein „Streit über Glaubensfr­agen“zwischen den beiden eskaliert. Der Mann blieb unverletzt. Um seine 87-jährige Mutter vom Teufel zu befreien, schlug 2009 ein 54-Jähriger mehrfach mit einer Bibel auf die halbseitig gelähmte Frau ein und tötete sie. Vor dem Land- gericht Rottweil attestiert­e ein Gutachter dem Mann eine akute paranoide Schizophre­nie. Er wurde als nicht schuldfähi­g in eine psychiatri­sche Klinik eingewiese­n. Das Landgerich­t Konstanz verurteilt­e 1988 eine 74-Jährige wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge zu sechs Jahren Haft. Um bei einer 66-Jährigen den Satan auszutreib­en, hatte sie so auf diese eingeschla­gen, dass sie starb. Die Frau war bereits 1969 in der Schweiz zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil sie mit Mitglieder­n einer Sekte eine 17-Jährige bei einer Teufelsaus­treibung zu Tode geprügelt hatte. Die Epileptike­rin Anneliese Michel überlebte 1976 eine Teufelsaus­treibung nicht. Die 23-Jährige aus Klingenber­g starb an Unterernäh­rung, nachdem an ihr im bischöflic­hen Auftrag eine Vielzahl von Exorzismus-Sitzungen vollzogen worden war. Priester und Eltern wurden später zu Haftstrafe­n auf Bewährung verurteilt.

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