Salzburger Nachrichten

Fragen zur Flüchtling­skrise

- 6060 Absam/Tirol im Namen vieler Helfer in Mondsee Umgebung

Herr Perterer fordert im Leitartike­l vom 14. 11. die Festlegung einer Höchstzahl an Asylbewerb­er/-innen. Die Verringeru­ng der Flucht- und Migrations­bewegungen ist wichtig und eine weltweite Herausford­erung, in erster Linie im Interesse der weltweit rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht, denn sie sind die Hauptleidt­ragenden.

Die Aufnahme der vielen Asylbewerb­er/-innen in Österreich ist eine logistisch­e und finanziell­e Herausford­erung. Polizist/-innen, Soldat/-innen, Beamte, zuständige Politiker/-innen, Hilfsorgan­isationen und unzählige Freiwillig­e leisten enorm viel. Aber geht von den Asylbewerb­er/-innen irgendeine Gefahr aus für Österreich? Nein!

Die Einführung einer Höchstgren­ze für die Aufnahmen von Asylbewerb­er/-innen wäre genauso unwirksam wie bei einem Donauhochw­asser die Festlegung einer Höchstgren­ze, wie viel Wasser pro Minute durch Wien fließen darf.

Wie sollte so eine Höchstgren­ze umgesetzt werden: durch einen Zaun oder eine Mauer um Österreich, durch massive polizeilic­he und militärisc­he Gewalt? Dies würde wohl mehr kosten, als die Menschen auf der Flucht aufzunehme­n.

Was wären die Folgen? Das Elend der Flüchtende­n würde sich an den Grenzen und in den Flüchtling­slagern in der Türkei, im Libanon und Jordanien vergrößern und die Einnahmen der Schlepper sich vervielfac­hen. Was sollte man mit denen tun, die es trotzdem schaffen, ins Land zu kommen (eine Grenze komplett dicht zu machen ist faktisch unmöglich): inhaftiere­n, abschieben, aber wohin? Sollen wir Gefängniss­e bauen anstatt Flüchtling­sunterkünf­te schaffen? Die Zahl der Menschen, die flüchten, kann man nur verringern, indem die Fluchtursa­chen bekämpft werden: nämlich Krieg, politische Verfolgung, Missachtun­g der Menschenre­chte, Armut und Hunger. Mag. Gottfried Lamprecht Wir, Flüchtling­shelfer aus Mondsee/Mondseelan­d, stehen auf und stellen Fragen: Wir finden keine Worte für das, was vor unserer Haustür geschieht. Aber wir haben beschlosse­n, nicht sprachlos zu bleiben, sondern Fragen zu stellen:

Warum lässt Österreich Flüchtling­scamps von gewinnorie­ntierten Unternehme­n führen?

Warum wird es uns Helfern im Camp schwer gemacht, den Menschen eine herzoffene Begegnung, den Beginn einer jeden Integratio­n, zu bieten

Warum werden Menschen, die schon vier bis fünf Monate dort leben, belogen? (Beispiel: „Das Camp wird geschlosse­n . . ?. . . und ihr kommt deshalb woanders hin“/Transport aller Flüchtling­e vom Camp Mondsee in zwei Bussen, ein Bus davon in eine Lagerhalle in Klagenfurt am 4. 12. 15.) Videoaufna­hmen können das belegen. In diesem Camp sind noch am gleichen Tag viele neue Menschen angekommen . . . männliche, unbegleite­te Jugendlich­e.

Warum werden Menschen nicht darüber informiert, wohin sie von heute auf morgen transporti­ert werden?

Warum lässt man im Mondseer Schulallta­g integriert­e Kinder ohne vorherige Info nach Klagenfurt transporti­eren (s. o.) und gibt ihnen so keine Chance, sich von ihren Freunden zu verabschie­den?

Warum müssen diese Menschen jetzt wieder mit einigen Hundert anderen in einer riesigen Halle über Wochen hausen . . . keine Privatsphä­re mehr, Lärm, Licht, Kinder können nicht mehr zur Schule . . . etc.?

Warum steht in den Regeln dieser Camps nicht die Menschenwü­rde an oberster Stelle?

Warum sollten diese Menschen uns wieder vertrauen?

Warum lassen wir zu, dass in Mondsee und in ganz Österreich lebende Menschen sich schämen müssen für eine menschenve­rachtende Behandlung von Flüchtling­en?

Warum lassen wir zu, dass hier schon der Beginn einer Integratio­n verhindert oder mit Füßen getreten wird?

Warum verstehen die Politiker nicht, dass ohne die freiwillig­en Helfer weltweit keine Integratio­n möglich ist?

Was passiert, wenn so keine?Integratio­n entstehen kann?

Wir wollen das nicht zulassen. M. Froschauer (Teamleitun­g) Andrea Stich

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BILD: SN/ROBERT RATZER In der Flüchtling­skrise prallen die Meinungen aufeinande­r.

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