Minderheit kann die Welt verbessern
Warum die kirchliche Rede „den Stempel des Vernünftigen“tragen muss und der Ruf nach einem Dritten Vatikanischen Konzil verfrüht erscheint.
MÜNCHEN. Es war am 7. Dezember 2015, einen Tag vor dem 50. Jubiläum des Abschlusses des Zweiten Vatikanischen Konzils. Auf dem Kalender stand als Tagesheiliger der Kirchenlehrer Ambrosius von Mailand. Er hatte von der „klerikalen Rede“verlangt, dass sie den „Stempel des Vernünftigen“trage. Dieses Zitat stellte der Direktor der Katholischen Akademie in Bayern, Florian Schuller, der Veranstaltung mit dem Bischof von Mainz und langjährigen früheren Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, voran. Anlass war ein internationaler Kongress deutschsprachiger Theologen, die in München das Thema „Das Konzil – eröffnen“abhandelten. Den „Anfang des Anfangs“hatte 1965 der deutsche Jesuitentheologe Karl Rahner das Zweite Vatikanische Konzil genannt, worauf man sich bei den Reformen stützen konnte. Unwidersprochen bleibt freilich das geflügelte Wort von Kirchenhistorikern, dass jedes Konzil erst hundert Jahre nach seinem Ende ein Ende finde. Bleiben also noch 50 Jahre. Oder doch nicht? Es gibt öfter ein Gedränge, ein Drittes Vatikanisches Konzil zu initiieren, obgleich das Zweite noch lange nicht umgesetzt ist.
Man habe ein großes und hilfreiches Erbe erhalten, das unsere Zukunft bestimmen sollte, meinte Kardinal Lehmann. Defizite in der Aufnahme und Annahme der Do- kumente des Zweiten Vatikanums gebe es natürlich. Lehmann sieht die stärksten gesellschaftlichen Veränderungen und deren Folgen seit 1968 hereinbrechen: Es verschwinde „rasant“eine Selbstverständlichkeit der Rede von Gott; eine Sensibilität für so etwas wie Transzendenz trockne aus; der Drang nach immer mehr Selbstbestimmung und Freiheit werde immer größer und der Verlust der Dimension des Heiligen sei „riesig“.
Was, fragte der ehemalige Assistent des Konzilstheologen Karl Rahner, tun wir dagegen, haben wir das überhaupt schon bemerkt? Die Kirche dürfe viel weniger um sich selbst kreisen. Mit der Agenda des Zweiten Vatikanischen Konzils sei man noch nicht am Ende. Und ab- schließend: „Minderheiten können die Welt besser verändern.“
Die Podiumsdiskussion beschäftigte sich auch mit den von Papst Franziskus stark akzentuierten und favorisierten synodalen Strukturen der Kirche. Diese seien im Rahmen der Globalisierung als Ortskirchen entschieden zu hören, sagte Annemarie C. Mayer von der Universität Löwen. Es gehe darum, wie auf den verschiedenen Kontinenten auf die jeweiligen Herausforderungen geantwortet werden könne. Es gelte den Pluralismus wertzuschätzen und sich nicht allein von der Weltanschauung der nördlichen Hemisphäre bestimmen zu lassen, betonte der Moraltheologe James Keenan S.J. vom Boston College.
Die Kirche als Heilsprojekt verband die Bolivianerin Bernardeth Caero Bustillos aus Cochabamba – sie hat in Salzburg ihr Doktorat aus dem Alten Testament erworben – mit der alles integrierenden indigenen Theologie. Die Arbeit der Theologie auch mit Laienstimmen werde den bisher kaum vorhandenen Dialog der theologischen Fächer untereinander voranbringen, meinte Massimo Faggioli aus Minnesota.
Johannes XXIII. hatte sich vom Konzil ein „neues Pfingsten“erwartet. Was bei allem, auch theologischen Sprachengewirr eine Einheit in der Vielheit bedeutet.